Leitsatz (amtlich)

1. Die Satzungsänderung einer Genossenschaft, durch welche ein Mindestkapital eingeführt wird, erfasst den Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben auch bei solchen Genossen, welche bei Wirksamwerden der Satzungsänderung bereits die ordentliche Kündigung ihrer Mitgliedschaft erklärt haben, jedoch wegen der noch laufenden Kündigungsfrist noch nicht aus der Genossenschaft ausgeschieden sind.

2. Die Satzungsregelung zum Mindestkapital einer Publikumsgenossenschaft ist nichtig, wenn das satzungsmäßige Mindestkapital zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben noch gar nicht berechnet werden kann.

3. Die Genossenschaft trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Aussetzung des Auseinandersetzungsguthabens aufgrund des satzungsmäßigen Mindestkapitals.

 

Normenkette

AktG § 241; GenG §§ 8a, 51

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 14.12.2017; Aktenzeichen 25 O 132/17)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 25. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 14.12.2017 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.682,78 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 12.184,32 EUR vom 01.03.2017 bis zum 30.04.2017, aus 12.058,93 EUR vom 01.05.2017 bis zum 30.07.2017, aus 11.933,54 EUR vom 01.08.2017 bis zum 30.10.2017, aus 11.808,15 EUR vom 01.11.2017 bis zum 30.01.2018 und aus 11.682,78 EUR seit dem 01.02.2018, abzüglich auf den Zinsanspruch bezahlter 29,70 EUR. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil sowie das vorstehend bezeichnete Urteil des Landgerichts Stuttgart, soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert: 12.435,10 EUR

 

Gründe

A. Die Klägerin macht als ausgeschiedene Genossin der beklagten Wohnungsbaugenossenschaft ihren Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens geltend.

Die Klägerin trat der Beklagten durch Erklärung vom 19.08.2011 mit einer Einlage von 12.000 EUR bei (Anlage K 1 = GA I 7). Zum damaligen Zeitpunkt sah die Satzung der Beklagten kein Mindestkapital im Sinne des § 8a GenG vor. Im November 2013 erklärte die Klägerin die ordentliche Kündigung ihrer Mitgliedschaft, wofür die Satzung der Beklagten in § 5 Abs. 1 eine Frist von einem Jahr zum Schluss des Geschäftsjahrs vorsieht (Satzung mit Stand 17.08.2012 als Anlage K 2 = GA I 8; Satzung mit Stand 01.10.2014 als Anlage B 1 = GA I 47). Am 01.10.2014 beschloss die Mitgliederversammlung der Beklagten mehrheitlich, die Satzung u. a. um folgende Regelungen zu ergänzen (Versammlungsprotokoll als Anlage B 3):

§ 33a Mindestkapital:

Das Mindestkapital der G gem. § 8a GenG, das bei der Auszahlung von Auseinandersetzungsguthaben zu beachten ist, beträgt 97 % der eingezahlten Genossenschaftsanteile zum Stand des Jahresabschlusses, der für das Auseinandersetzungsguthabens einschlägig ist, vermehrt um zwei Drittel der in dem darauf folgenden Geschäftsjahr eingehenden Einzahlungen auf die Geschäftsguthaben. Es darf durch die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens an ausgeschiedene Mitglieder oder nach Teilkündigung nicht unterschritten werden.

Würde das Mindestkapital durch die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens unterschritten, so ist die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens insoweit ausgesetzt. In diesem Fall wird das Auseinandersetzungsguthaben aller ausscheidenden Mitglieder anteilig gekürzt. Wird das Mindestkapital wieder überschritten, werden die ausgesetzten Auseinandersetzungsguthaben zur Auszahlung fällig. Die Überprüfung, ob das Mindestkapital wieder überschritten wird, findet monatlich jeweils zum Monatsende auf der Grundlage der Einzahlungen des beendeten Monats statt. Auszahlungen erfolgen dann jahrgangsweise in der Reihenfolge des Ausscheidens. Der Vorstand hat die Auszahlung monatlich zu veranlassen.

§ 10 Absatz 6:

Würde die Liquidität der Genossenschaft durch die gleichmäßige Auszahlung der Auseinandersetzungsguthaben die zur Fortsetzung des Geschäftsbetriebs für die folgenden drei Monate erforderlichen Mittel unterschreiten, so ist die Genossenschaft berechtigt, die Zahlung in sechs gleichen vierteljährlichen Raten vorzunehmen; die erste Rate ist vier Monate nach dem Beschluss der Mitgliederversammlung, der den zugrundeliegenden Jahresabschluss feststellt, auszuzahlen. Bis zur vollständigen Auszahlung sind die offenen Teilbeträge mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen. Die Liquidität ist zu jedem quartalsmäßigen Zahlungstermin zu prüfen. Fallen die Voraussetzungen gem. Satz 1 weg, ist die volle Auszahlung der Auseinandersetzungsguthaben wieder aufzunehmen.

Die Änderung der Satzung wurde am 20.11.2014 im Genossenschaftsregister eingetragen und bekannt gemacht (Anlage B 2).

Im Jahr 2016 stellte die Beklagte das A...

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