Leitsatz (amtlich)
1. Eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges des Mieters wird nach § 543 Abs. 2 S. 3 BGB durch eine nachträglich erklärte Aufrechnung nur unwirksam, wenn die Aufrechnungslage bereits vor Zugang der Kündigungserklärung bestanden hat. Durch Aufrechnung mit einem erst mit Beendigung des Mietverhältnisses entstehenden Anspruch auf Rückzahlung von nicht abgerechneten Nebenkostenvorauszahlungen kann daher eine fristlose Kündigung nicht abgewendet werden.
2. Eine wirksame Aufrechnungsbeschränkung gilt nach Beendigung des Mietverhältnisses fort. Der Aufrechnungsausschluss hindert die Aufrechnung jedoch nicht, wenn die Gegenforderung begründet und entscheidungsreif ist.
3. Der Mieter hat nach Beendigung des Mietverhältnisses einen Anspruch auf Rückzahlung von Nebenkostenvorauszahlungen nur, wenn und soweit er während der Dauer des Mietverhältnisses nicht die Möglichkeit hatte, den Abrechnungsanspruch durch Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an den laufenden Vorauszahlungen durchzusetzen.
4. Zu den an eine formell wirksame Nebenkostenabrechnung zu stellenden Anforderungen.
5. Der frühere Vermieter bleibt gegenüber dem Mieter bezüglich der zum Zeitpunkt des Wechsels im Grundeigentum abgelaufenen Abrechnungsperiode zur Abrechnung der Betriebskosten verpflichtet und zur Erhebung etwaiger Nachzahlungen berechtigt.
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 24.09.2015; Aktenzeichen 21 O 17/15) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 24.9.2015 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Kammer für Handelssachen des LG Duisburg wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung wegen des Räumungs- und Herausgabeanspruchs durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von EUR 10.000,00, die Vollstreckung wegen des Zahlungsanspruchs durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung rückständiger Mieten und Nebenkostenvorauszahlungen für den Zeitraum von August 2012 bis einschließlich Januar 2015 sowie auf Räumung und Herausgabe in Anspruch.
Mit schriftlichem Vertrag vom 18./19.4.2005 (Bl. 8-18 d. GA) mietete die Beklagte von der B. Immobilienmanagement GmbH i. L. Büroflächen mit einer Gesamt(nutz)fläche von 298,89 m2 im so genannten C-Gebäude des Grundstücks D. Straße... in O.
§ 4 Nr. 3 S. 1 des Vertrages beinhaltet folgende Regelung:
"Der Mieter kann gegenüber Mietforderungen mit einer Gegenforderung nur aufrechnen oder ein Minderungs- oder Zurückbehaltungsrecht des Mietzinses nur geltend machen, sofern die Gegenforderung bzw. das Minderungs- oder Zurückbehaltungsrecht unstreitig ist oder rechtskräftig festgestellt wurde. (...).".
Mit Zusatzvereinbarung gleichen Datums (Bl. 26d. GA) mietete die Beklagte von der B. Immobilienmanagement GmbH i. L. zugleich insgesamt 6 Stellplätze hinter dem C-Gebäude.
In einer unterzeichneten "ÜBERLEITUNGSVEREINBARUNG" vom 10./19.5.2006 (Bl. 146c d. GA) heißt es wörtlich:
"Zwischen
1. Herrn S. als Insolvenzverwalter der B. Immobilienmanagement GmbH i. L. (...) nachstehend BIM genannt -
2. D. GmbH (= Klägerin) nachstehend Dazzle GmbH genannt
3. M. GmbH (= Beklagte) nachstehend Mieter genannt -
wird die folgende Überleitungsvereinbarung geschlossen:
1. Die BI. hat am 18./19.04.2005 mit dem Mieter den Hauptauftrag und evtl. Zusatzvereinbarungen abgeschlossen.
2. Die BI., die D. GmbH und der Mieter sind sich darüber einig, dass mit Ablauf des 31.03.2006 die BI. aus diesem Vertragsverhältnis ausscheidet und die D. GmbH anstelle der BI. eintritt.
3. Mit der Übertragung des Vertragsverhältnisses auf die D. GmbH sind sämtliche Rechte und Pflichten der BI. aus dem Vertragsverhältnis erledigt.
4. Im Übrigen gelten die Vereinbarungen aus dem Mietvertrag unverändert fort.".
Die Vereinbarung trägt für die Klägerin mit dem Zusatz "i. A." die Unterschrift des F. Sch.
Mit schriftlichem Nachtrag vom 27./28.11.2006 (Bl. 19 f. d. GA) und einem weiteren Nachtrag vom 3./13.12.2007 (Bl. 23 f. d. GA) mietete die Beklagte von der Klägerin "zusätzlich zum Mietvertrag v. 18./19.04.2005" zwei weitere Büroflächen von jeweils 43,08 m2, Raum 6008 und 6004 im C-Gebäude.
Mit Zusatzvereinbarung vom 3./4.6.2008 (Bl. 28d. GA) mietete die Beklagte von der Klägerin schließlich zwei weitere Stellplätze.
In der Folgezeit zahlte die Beklagte die vertraglich geschuldete Miete an die Klägerin.
In der Zeit vom 1.7.2011 bis zum 31.12.2012 belief sich die mietvertraglich geschuldete monatliche Gesamtmiete einschließlich Nebenkostenvorauszahlung, Infrastrukturkostenvorauszahlung und Mehrwertsteuer auf einen Betrag in Höhe von EUR 4.745,57. Ab dem 1.1.2013 reduzierte sich die mietvertraglich geschuldete monatliche Gesamtmiete einschließlich Nebenkostenvorauszahlung,...