Leitsatz (amtlich)
1. Ein akuter und nachhaltiger Rattenbefall kann gemäß § 543 Abs. 1 BGB die fristlose Kündigung eines Mietvertrags über gewerblich genutzte Räume rechtfertigen.
2. Die (Anschluss-)Berufung kann in zulässiger Weise auf den vom Gericht erster Instanz nicht für durchgreifend erachteten Aufrechnungseinwand beschränkt werden.
3. Der (zulässige) Ausschluss der Aufrechnung mit weder rechtskräftig festgestellten noch unstreitigen Gegenforderungen gilt auch nach Beendigung des Mietverhältnisses und Räumung des Mietobjekts weiter.
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 07.08.2015; Aktenzeichen 6 O 279/13) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten wird das am 7.8.2015 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Duisburg abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 11.509,37 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 1.937,62 seit dem 6.2.2013, aus weiteren EUR 1.700,62 seit dem 6.3.2013, aus weiteren EUR 1.265,19 seit dem 4.4.2013 und aus jeweils weiteren EUR 1.100,99 seit dem 7.5., dem 6.6., dem 4.7., dem 6.8., dem 5. September und dem 5.10.2013 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Von einem Tatbestand wird nach Maßgabe von §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen. Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des LG Duisburg vom 7.8.2015 Bezug genommen.
B. Die Berufung des Klägers ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519 und 520 ZPO). Auch in der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg.
I. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein in erster Instanz erfolglos gebliebenes Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung auch der rückständigen Mieten für die Monate April bis Oktober 2013 weiter. Tatsächlich kann der Kläger die Beklagte auf der Grundlage von § 535 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 5 Nr. 1 und 6 Nr. 1 des Mietvertrages sowie §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB auf Zahlung von weiteren EUR 7.871,13 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 1.265,19 seit dem 4.4.2013 und aus jeweils weiteren EUR 1.100,99 seit dem 7.5., dem 6.6., dem 4.7., dem 6.8., dem 5.9. und dem 5.10.2013 in Anspruch nehmen.
1. Zwischen der Beklagten und der Rechtsvorgängerin des Klägers ist am 17.6.1999 ein Mietvertrag hinsichtlich des streitgegenständlichen Objekts wirksam zustande gekommen. Der Kläger hat die streitgegenständliche Immobilie Friesenstraße 97 bis 101 in Oberhausen zwischenzeitlich erworben.
2. Das gemäß § 3 des Mietvertrages ursprünglich bis zum 30.6.2009 befristete Mietverhältnis hat eine Verlängerung um weitere fünf Jahre, also bis zum 30.6.2014 erfahren. Denn die Beklagte hat mit Schreiben vom 12.6.2008 (Bl. 130d. GA) von der ihr gemäß § 4 des Mietvertrages eingeräumten Option zur einmaligen Verlängerung des Mietverhältnisses um fünf Jahre Gebrauch gemacht. Mit schriftlicher Vereinbarung vom 3.9.2009 (Bl. 132d. GA) haben die Parteien das Mietobjekt unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den "bestehenden Mietvertrag vom 17.06.1999" sogar noch erweitert.
3. Das mit schriftlichem Vertrag vom 17.6.1999 begründete und auf der Grundlage von § 4 des Mietvertrages wirksam bis zum 30.6.2014 verlängerte, befristete Mietverhältnis ist vor Ablauf der Vertragsdauer nicht wirksam gekündigt worden.
a) Die seitens der Beklagten mit Schreiben vom 23.7.2012 (Bl. 37d. GA) erklärte Kündigung des Mietvertrages zum 31.12.2012, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin hat nicht zu einer vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses geführt. Denn ein befristetes Mietverhältnis endet gemäß § 542 Abs. 2 BGB durch Zeitablauf oder durch außerordentliche Kündigung; eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses ist nicht möglich (Krüger in: Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, 1. Aufl. 2015, § 542 BGB Rdnr. 56).
Soweit es in dem Schreiben der Beklagten vom 23.7.2012 wörtlich heißt (vgl. Bl. 23d. GA):
"Sehr geehrter Herr Sch.,
unter Bezugnahme auf unser persönliches Gespräch vom 11.7.2012 kündigen wir das obige Mietverhältnis
zum 31.12.2012 - hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Das Rattenproblem ist Ihnen bekannt. Trotz der von Ihnen in der Vergangenheit eingeleiteten Versuche, konnten die Ratten nicht aus dem Gebäude beseitigt werden. Nach Aufklärung über die gesundheitlichen Folgen weigern sich unsere Mitarbeiter im Lager und in der Küche zu arbeiten.",
kann hierin keine wirksame außerordentliche Kündigung im Sinne von § 543 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB gesehen werden. Denn jedenfalls fehlt es an der gemäß § 543 Abs. 3 S. 1 BGB erforderlichen Fristsetzung zur Abhilfe.
Besteht der wichtige Grund wie hier bei dem Auftreten eines Mangels in Gestalt eines nach...