Leitsatz (amtlich)
1. Allein die Erstellung einer Wohnflächenberechnung stellt nicht bereits eine "Bestandsaufnahme" als besondere Leistung im Sinne der Leistungsphase 1 zu § 15 Abs. 2 HOAI dar, weil zu dieser darüber hinaus eine umfassende Erhebung des baulichen Bestandes gehört.
2. Auch wenn im Innenverhältnis zwischen Bauunternehmer und objektüberwachendem Architekten der Bauunternehmer den durch einen Baumangel verursachten Schaden alleine zu tragen hat, entfaltet ein zwischen dem Bauherrn und dem Bauunternehmer geschlossener Vergleich zugunsten des dem Bauherrn wegen dieses Mangels zum Schadensersatz verpflichteten Architekten nur eine beschränkte Gesamtwirkung des Inhalts, dass durch den Vergleich die Verpflichtung des Bauunternehmers zum Schadensersatz endgültig erledigt werden soll, dieser also keinem Regress des Architekten ausgesetzt sein soll.
3. Steht in einem Bauprozess eine fachunkundige Partei einer Partei mit besonderen Fachkenntnissen im Bauwesen gegenüber, sind die Kosten eines von der fachunkundigen Partei beauftragten Privatgutachters unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit erstattungsfähig, wenn diese Partei ohne Hilfe des Privatgutachters nicht in der Lage ist, zu den relevanten bautechnischen Fragen Stellung zu nehmen, sei es, um ihrer prozessualen Darlegungslast zu genügen, sei es, um Einwendungen gegen das Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen vorbringen zu können.
4. Unter diesen Voraussetzungen können auch die Kosten einer von dem Privatgutachter veranlassten Bauteilöffnung als notwendige Vorbereitungskosten erstattungsfähig sein, wenn der Privatgutachter und damit die betreffende fachunkundige Partei ohne die Bauteilöffnung nicht in der Lage ist, qualifizierte Einwendungen gegen das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen zu erheben.
5. Ebenso können die Kosten der Teilnahme des von der fachunkundigen Partei beauftragten Privatgutachters an einem Ortstermin des gerichtlich bestellten Sachverständigen ersatzfähige notwendige Aufwendungen für die Prozessführung darstellen.
6. Eine Verpflichtung zur Überwachung von Arbeiten zur Beseitigung von Mängeln, hinsichtlich derer der objektüberwachende Architekt dem Bauherrn zum Schadensersatz verpflichtet ist, trifft den Architekten nur dann, wenn auch die Leistungen gem. Leistungsphase 9 des § 15 Abs. 2 HOAI Gegenstand seiner Beauftragung gewesen sind.
Normenkette
BGB a.F. § 635; BGB §§ 423, 631; HOAI § 15 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 09.12.2005; Aktenzeichen 10 O 245/98) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen das am 9.12.2005 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Duisburg - 10 O 245/98 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 8.571,20 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 24.3.2001 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 28 % und der Beklagten zu 72 % auferlegt.
Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 31 % und die Beklagte zu 69 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten restliches Honorar für Architektenleistungen, die er auf Grund eines zwischen den Parteien Anfang 1993 geschlossenen Architektenvertrages betreffend den Umbau und die Erweiterung des Wohnhauses der Beklagten B. weg 9 in V ... erbracht hat. Die Beklagte erhebt Einwendungen gegen die Klageforderung und erklärt des Weiteren die Aufrechnung mit Ansprüchen auf Schadensersatz wegen behaupteter Bauplanungs- und Bauaufsichtsfehler des Klägers. Soweit die von der Beklagten geltend gemachten Gegenansprüche die Klageforderung übersteigen, hat die Beklagte Widerklage erhoben. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat nach Beweisaufnahme durch Urteil vom 9.12.2005 die Klage abgewiesen und auf die Widerklage den Kläger unter Abweisung der Widerklage im Übrigen zur Zahlung von 11.107,60 EUR nebst Zinsen an die Beklagte verurteilt. Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger habe gegen die Beklagte gem. § 631 BGB der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Architektenhonorar i.H.v. 35.092,05 DM zugestanden. Dieser Anspruch sei nicht deshalb zu kürzen, weil der Kläger bereits vor der Beauftragung durch die Beklagte für deren Ehemann entsprechende inhaltsgleiche Planungsleistungen erbracht gehabt habe; es sei nämlich schon nicht...