Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem typischen Auffahrunfall spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende entweder durch einen ungenügenden Sicherheitsabstand (§ 4 Abs. 1 S. 1 StVO), durch unangepasste Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 StVO) und/oder durch allgemeine Unaufmerksamkeit (§ 1 Abs. 2 StVO) den Unfall schuldhaft verursacht hat.

2. Der Hinweis auf ein Ausweichmanöver genügt zur Darlegung eines atypischen Geschehensablaufes schon deshalb nicht, weil es selbst - erst recht in Kombination mit einer Bremsung - gefahrerhöhend wirkt.

3. Die Frage, ob ein Verschulden besonders schwer wiegt und sich als grob fahrlässig darstellt, ist einem Anscheinsbeweis nicht zugänglich.

4. Fährt der Kfz-Mieter mit dem gemieteten Pkw mit überhöhter Geschwindigkeit bei Dunkelheit und Nässe in eine Autobahnausfahrt ein, an deren Ende er mit einem Kreuzungsbereich rechnen muss und kommt es hierbei zu einem Auffahrunfall stellt dies einen besonders schwerwiegenden, den Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertigenden Sorgfaltsverstoß dar.

 

Normenkette

StVO § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 03.11.2004; Aktenzeichen 2a O 244/02)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 3.11.2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2a. Zivlkammer des LG Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2, 546 ZPO) noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 ZPO) eine abweichende Beurteilung. Der Senat folgt den Gründen der Entscheidung nach Maßgabe der folgenden durch das Berufungsvorbringen veranlassten Ausführungen.

1. Zu Recht hat das LG der Klägerin einen Schadensersatzanspruch nach Ziff. 10 lit. a. und lit. b. der Allgemeinen Vermietbedingungen (Bl. 19 GA) bzw. wegen Verletzung der Pflicht zur Rückgabe der Mietsache in ordnungsgemäßem, d.h. nicht über die normale Abnutzung hinaus beeinträchtigtem Zustand (BGH NJW 1978, 945 [946]) nach den - auf das vor dem 1.1.2002 begründete Schuldverhältnis nach Art. 229 § 5 EGBGB weiterhin anzuwendenden - Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zuerkannt. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt die unter Ziff. 10 lit. e der Allgemeinen Vermietbedingungen vorgesehene Haftungsfreistellung nicht zum Tragen, weil der Beklagte den Unfall grob fahrlässig verursacht hat.

a) Ungeachtet der durch das LG erhobenen Beweise, ist zugunsten der Klägerin zu vermuten, dass der Beklagte den Unfall schuldhaft (§ 276 BGB) verursacht hat. Bei einem typischen Auffahrunfall, wie er hier unstreitig anzunehmen ist, spricht nach gefestigter Rechtsprechung der Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende entweder durch einen ungenügenden Sicherheitsabstand (§ 4 Abs. 1 S. 1 StVO), durch unangepasste Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 StVO) und/oder durch allgemeine Unaufmerksamkeit (§ 1 Abs. 2 StVO) den Unfall schuldhaft verursacht hat (BGH v. 18.10.1988 - VI ZR 223/87, MDR 1989, 150 = NJW-RR 1989, 670 [671]; v. 8.12.1987 - VI ZR 82/87, MDR 1988, 398 = NJW-RR 1988, 406; OLG Düsseldorf v. 10.10.2002 - 10 U 184/01, MDR 2003, 330 = OLGReport Düsseldorf 2002, 442). Ist mithin zugunsten der Klägerin eine schuldhafte Unfallverursachung zu vermuten, oblag es dem Beklagten zur Erschütterung des Anscheinsbeweises, den Nachweis einer ernsthaften Möglichkeit eines anderweitigen Geschehensablaufs zu erbringen (BGH NJW 1972, 1131; NJW 1978, 2032 [2033]). Hieran fehlt es.

aa) Soweit der Beklagte nunmehr auf ein Ausweichmanöver verweist, genügt dies zur Darlegung eines atypischen Geschehensablaufes schon deshalb nicht, weil es selbst - erst recht in Kombination mit einer Bremsung - gefahrerhöhend wirkte (BGH v. 18.12.1996 - IV ZR 321/95, MDR 1997, 348 = NJW 1997, 1012 [1013]).

bb) Mit dem LG ist aufgrund des im Ermittlungsverfahren eingeholten und urkundlich verwerteten Gutachtens des Sachverständigen G. (Bl. 50f GA) sowie dessen Aussage im Strafverfahren (Bl. 92 BA) auch ein Versagen der Bremsanlage auszuschließen. Daran ändert der Umstand, dass das Steuergerät des ABS-Systems sowie der Fehlerspeicher nicht mehr überprüft bzw. ausgelesen werden konnten, nichts. Vielmehr hat der Sachverständige, der hierauf selbst verweist, seine überzeugenden Schlussfolgerungen aus dem ihm zur Verfügung stehenden übrigen Untersuchungsmaterial gezogen. Hinzu kommt, dass der im Strafverfahren gehörte Zeuge S.(Bl. 91f BA), dessen Aussage im Wege des Urkundenbeweises ebenfalls Berücksichtigung finden kann, bekundet hat, noch am Unfallort das Bremspedal betätigt zu haben, wobei Druck vorhanden gewesen sei. Überdies hat der Beklagte ausweislich der Verkehrsunfallanzeige (Bl. 1f BA) und der Angaben des Zeugen S. im unmittelbaren Anschluss an das Eintreffen der Polizei vor Ort selbst zunächst zu Protokoll gegeben, dass di...

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