Leitsatz (amtlich)

Der (hier: gewerbliche) Vermieter verwirkt sein Recht auf Mietzins, wenn der Mieter den Mietzins mindert und der Vermieter dies längere Zeit widerspruchslos hinnimmt.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 539 a.F.

 

Verfahrensgang

LG Krefeld (Aktenzeichen 5 O 463/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.11.2001 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Krefeld teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Das Teilversäumnisurteil der 5. Zivilkammer des LG Krefeld vom 12.3.2001 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen. Hiervon ausgenommen sind die durch die Säumnis des Beklagten zu 2) im ersten Rechtszug entstandenen Kosten, die diesem zur Last fallen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Der zulässigen Berufung kann der Erfolg in der Sache nicht versagt bleiben.

Die Klage, mit der die Klägerin die Bezahlung rückständigen Mietzinses für das Jahr 1996 nebst Zinsen begehrt, ist auch in der vom LG zuerkannten Höhe unbegründet mit der Folge, dass sie insgesamt abzuweisen ist.

Es kann dahin stehen, ob die Beklagten im Mietjahr 1996 berechtigt waren, wegen der von ihnen behaupteten, erheblichen Mängel die Miete gem. § 537 BGB a.F. auf 0 zu mindern oder ob ein derartiges Recht in entsprechender Anwendung des § 539 BGB a.F. verwirkt war. Denn die Klägerin hat diese Minderung jahrelang widerspruchslos hingenommen und damit ihrerseits einen Anspruch auf Nachzahlung rückständiger Miete verwirkt, § 242 BGB.

I. Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde (vgl. hierzu: Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 242 Rz. 87 m.w.N.). Insofern gilt für Mietzinsrückstände nichts anderes als für andere Forderungen. Vielmehr spricht gerade bei derartigen, i.d.R. monatlich fällig werdenden Ansprüchen vieles dafür, an das sog. Zeitmoment keine strengen Anforderungen zu stellen. Denn so wie ein Mieter das Recht zur Mietzinsminderung entspr. § 539 BGB a.F. verwirkt, wenn er in Kenntnis des Mangels den vollen Mietzins weiterhin vorbehaltlos zahlt (vgl. BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = NJW 1997, 2674), verwirkt auch der Vermieter sein Recht auf den Mietzins, wenn der Mieter den Mietzins mindert und der Vermieter dies längere Zeit widerspruchslos hinnimmt (vgl. hierzu: OLG Hamburg ZMR 1999, 328 [329]; LG Gießen ZMR 2001, 801 [802]; LG Köln WM 2001, 79; Sternel, Mietrecht Aktuell, 3. Aufl., Rz. 414; Wichert, ZMR 2000, 65 [68]). In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob bereits die widerspruchslose Duldung einer Minderung über 6 Monate zum Verlust einer Mietzinsforderung führen kann (so: AG Gießen ZMR 2001, 801). Denn das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment ist jedenfalls bei der widerspruchslosen Hinnahme einer Minderung über mehrere Jahre gegeben. So liegt der Fall hier.

1. Die Beklagten hatten den Mietzins wegen der von ihnen behaupteten Mängel bereits in der Zeit von Juni bis August 1993 teilweise gemindert, ehe sie ab September 1993 die Mietzinszahlung einstellten. Dies hatte die Klägerin zum Anlass genommen, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen und die Beklagten auf Räumung des Mietobjekts klageweise in Anspruch zu nehmen (4 C 68/94 AG Nettetal).

Im Verlauf dieses Verfahrens zahlten die Beklagten im Januar 1994 einmalig 4.000 DM und die Januarmiete mit 2.456 DM. Alsdann stellten sie wiederum jegliche Zahlung bis zur vertraglich vereinbarten Beendigung des Mietverhältnisses am 31.7.2000 ein. Der Räumungsrechtsstreit wurde von der Klägerin gleichwohl nicht weiter betrieben, weil die Parteien – ohne Erfolg – über den Ankauf des Hausgrundstücks durch den Beklagten zu 1) verhandelten. Erst mit Schreiben vom 18.1.2000 (Bl. 51 GA) kündigte die Klägerin das Mietverhältnis erneut fristlos wegen „Zahlungsrückständen”, hilfsweise fristgemäß zum 31.7.2000. Klage wegen der Mietzinsrückstände 1996 erhob sie erst kurz vor Ablauf der 4-jährigen Verjährungsfrist (§ 197 BGB) zum 31.12.2000 mit Klageschrift vom 23.11.2000. Bei diesem Geschehensablauf ist das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment unzweifelhaft gegeben.

2. Dass für die Verwirkung weiterhin erforderliche Umstandsmoment ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Es liegen besondere Umstände vor, aufgrund derer die Beklagten als Mieter sich nach Treu und Glauben darauf einrichten durften und eingerichtet haben, dass die Klägerin ihre Rechte nicht mehr geltend machen wird. Der Klägerin war spätestens seit dem Vorprozess im Jahre 1994 bekannt, dass die Beklagten jegliche Mietzinszahlungen wegen der von ihnen behauptete Mängel des Mietobjektes ablehnten. Die ausbleibenden Mietzinszahlungen ab 1994 verdeutlichten ihr, dass sich am Standpunkt der Beklagten nichts geändert hatt...

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