Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Gewerberaummiete befinden sich die gewerblich genutzten Räume nur dann in einem zu dem vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand, wenn der Aufnahme des vertraglich vorgesehenen Gewerbebetriebs in den Mieträumen keine öffentlich-rechtlichen Hindernisse entgegenstehen.
2. Der Mieter ist durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse in seinem vertragsgemäßen Gebrauch tatsächlich nur eingeschränkt, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjekts bereits untersagt hat oder ein behördliches Einschreiten ernstlich zu erwarten ist.
3. Ein behördliches Einschreiten ist noch nicht ernstlich zu erwarten, wenn der Mieter auf Grund einer bestehenden Nutzungsgenehmigung für das Mietobjekt Bestandsschutz in Anspruch nehmen kann.
4. Ein behördliches Einschreiten droht nicht schon, wenn die Behörde Auskünfte zu Fragen der Bau- oder Nutzungsgenehmigung nur mündlich erteilt hat.
5. Die Schriftform eines langfristigen Mietvertrages mit einer Aktiengesellschaft ist nur dann nicht gewahrt, wenn nach dem Rubrum des Mietvertrags Zweifel daran entstehen können, ob das unterzeichnende Vorstandsmitglied auch für ein anderes Vorstandsmitglied handelte oder der Eindruck entsteht, dass die Urkunde unvollständig ist und es zur Wirksamkeit des Vertrages noch einer weiteren Unterschrift bedarf.
Normenkette
BGB §§ 535-536, 550
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 09.06.2011; Aktenzeichen 21 O 1/11) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 9.6.2011 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Duisburg wird zurückgewiesen.
Zur Klarstellung wird das angefochtene Urteil wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 204.290,39 EUR nebst Zinsen i.H.v. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 7.035,03 EUR seit dem 7.1.2009, auf jeweils weitere 8.066,36 EUR seit dem 5.2., 5.3., 6.4., 7.5., 4.6., 8.7., 6.8., 4.9., 6.10., 5.11. und 4.12.2009 sowie auf jeweils weitere 8.066,36 EUR seit dem 7.1., 4.2., 4.3., 8.4., 6.5., 4.6., 6.7., 5.8., 6.9., 6.10., 4.11. und 6.12.2010 sowie auf weitere 5.748,66 EUR seit dem 22.12.2011 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe des sich aus der Rechnung (Kostenrechnung Nr. 815-10. doc, Aktenzeichen 901/08) vom 5.10.2010 ergebenden Nettobetrages von 1.411,20 EUR freizustellen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Mit Vertrag vom 20.7.1994 mietete die S. AG, die zum 1.2.2008 in D. AG umfirmierte, von der E. KG das Grundstück O.-Str. XX in D.. Mit Untermietvertrag vom 22./28.12.1995 vermietete sie das Objekt ab März 1996 befristet auf 10 Jahre an die G. OHG. Diese firmierte im Jahr 1997 um in L. OHG. Deren Vermögen wiederum ging am 1.7.1999 im Wege der Anwachsung über auf die P., die das Untermietverhältnis fortsetzte. Im April 2009 wurde sodann die Beklagte im Wege der Umwandlung Rechtsnachfolgerin der P..
Vor Abschluss des Mietvertrages vom 20.7.1994 hatte die Stadt D. mit Bauvorbescheid vom 11.11.1993 und Genehmigung vom 24.4.1994 den Umbau und die Nutzungsänderung des Mietobjekts in einen Getränke-, Lebensmittel- Textil- und Schuhmarkt gem. § 70 BauO NW a.F. genehmigt. Unter dem 19.8.1997 erteilte sie nach § 82 BauO NW eine entsprechende Bescheinigung über die mögliche Nutzung.
Bei Abschluss des Untermietvertrages wurde die S. AG aufgrund eines Betriebsführungsvertrages vom 10./13.1.1992 durch die S. B. AG vertreten. Die Vertretungsverhältnisse der S. B. AG sind in dem Untermietvertrag nicht bezeichnet. Ausweislich des Handelsregisters war für diese u.a. ein Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen vertretungsberechtigt. Der Untermietvertrag wurde für die S. B. AG von dem stellvertretenden Vorstandsmitglied B. und dem Prokurist Dr. G. mit dem Zusatz "pp." unterzeichnet.
Gemäß § 2 Abs. 2 des Untermietvertrages sollte die Untermieterin berechtigt sein, durch schriftliche Erklärung die Verlängerung des Mietverhältnisses um vier Jahre erstmals zum 31.12.2006 zu verlangen. Die P. machte mit Schreiben vom 22.11.2005 von dieser Verlängerungsoption Gebrauch.
Zwischen den Mietvertragsparteien war nach mehreren Mietanpassungen zuletzt einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen und Mehrwertsteuer ein Mietzins von 9.006,46 EUR vereinbart; wegen der Einzelheiten der - unstreitigen - Mietzinsberechnung wird auf die Klageschrift vom 21.10.2010 verwiesen.
Mit Schreiben vom 30.10.2007 kündigte die P. das Untermietverhältnis zunächst vertragsgemäß zum 31.12.2010. Bereits Ende des Jahres 2007 stellte sie den Betrieb in den Mieträumen ein. Zugleich eröffnete sie in räumlicher Nähe zum bisherigen Ladenlokal ein...