Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für den Vorwurf einer rechtsmissbräuchlichen Verfolgung gleichlautender wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche durch mehrere Gläubiger
Leitsatz (amtlich)
Werden gleichlautende wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche durch mehrere Unterlassungsgläubiger parallel durch denselben Rechtsanwalt geltend gemacht, kann dies den Vorwurf der rechtsmissbräuchlichen Mehrfachverfolgung grundsätzlich nur dann begründen, wenn diese Unternehmen konzernmäßig oder in anderer Weise derart miteinander verbunden sind, dass sie die Verfolgung der Ansprüche durch nur eines dieser Unternehmen zuverlässig untereinander abstimmen können. Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Anwalt "sämtliche Fäden in der Hand hat", d.h. die Mehrfachabmahnung aus eigener Initiative und in alleiniger Verantwortung losgelöst vom Willen der einzelnen Gläubiger koordiniert.
Normenkette
UWG § 8 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 18.06.2015; Aktenzeichen 2-3 O 21/15) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Die Kosten des Eilverfahrens einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Der Streitwert für das Eilverfahren wird in Abänderung des Beschlusses des LG Frankfurt vom 20.1.2015 auf 1.000 EUR festgesetzt.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem hieraus abgeleiteten Kosteninteresse der Antragstellerin.
Gründe
I. Die Parteien sind Mitbewerber beim Online-Vertrieb von Verpackungsmaterialien. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin vertritt auch die ebenfalls in diesem Geschäftsbereich tätigen Unternehmen A GmbH und B UG. Seit 2013 führten die Antragsgegnerin einerseits, die Antragstellerin und die o.g. Firmen andererseits wechselseitige wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen, was zu mehr als 40 gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren geführt hat.
Am 11.12.2014 erhielt die Antragsgegnerin eine im Namen der Firma B (UG) ausgesprochene Abmahnung des Antragstellervertreters, mit der beanstandet wurde, dass die Antragsgegnerin in einer Google - Shoplink - Anzeige die Auslobung "Versand gratis" verwendete, ohne darauf hinzuweisen, dass für eine Lieferung auf bestimmte deutsche Inseln ein so genannter "Inselzuschlag" verlangt wird (Anlage AG 5). Nachdem die Antragsgegnerin hierauf nicht reagierte, erwirkte die Firma B beim LG Hamburg am 29.12.2014 eine entsprechende einstweilige Verfügung (Az.:!/14 - Anlage AG 7).
In der Zwischenzeit hatte die Antragsgegnerin die Antragstellerin wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Grundpreisangabe gem. § 2 Abs. 1 der PAngV in einer auf der Handelsplattform "Ebay" eingestellten Werbeanzeige abgemahnt (Anlage K 10).
Am 31.12.2014 sprach der Antragstellervertreter in deren Namen eine weitere Abmahnung gegenüber der Antragsgegnerin aus, weil diese in einem anderen, bei Google veröffentlichten Angebot, wiederum mit der Aussage "Versand gratis" warb, ohne den "Inselzuschlag" zu erwähnen (Anlage AG 6). Beiden Abmahnungen war ein Gegenstandswert von jeweils 40.000 EUR zu Grunde gelegt worden.
Die Antragstellerin hat zur eigenen Kenntnisnahme von den Wettbewerbsverstößen eidesstattliche Versicherungen ihres Geschäftsführers und ihres Verfahrensbevollmächtigten vorgelegt, auf deren Inhalt verwiesen wird (Anlagen K 13/14).
Die Auseinandersetzungen der Parteien setzten sich auch im Januar 2015 fort. Nachdem die Antragsgegnerin am 26.1.2015 die Firma B und die Firma A wegen Verstößen gegen die Preisangabenverordnung (Grundpreisangabe) abgemahnt hatte, sprach der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin in deren Namen, im Namen der Firma A und der Firma B am folgenden Tag ebenfalls Abmahnungen wegen Verstößen gegen die Pflicht zur Grundpreisangabe aus. Diese Abmahnungen sind der Antragstellerin per Telefax in einem Abstand von jeweils 15 min übermittelt worden.
Da die Antragsgegnerin die vom LG Hamburg zu Gunsten der Firma B erlassene einstweilige Verfügung durch Abschlusserklärung vom 18.2.2015 als endgültige Regelung anerkannt hat, haben die Parteien das hiesige Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt. Durch den angefochtenen Beschluss vom 18.6.2015 hat das LG der Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil es deren Rechtsverfolgung für rechtsmissbräuchlich gehalten hat.
Die Antragstellerin hat am 8.9.2015 eine auf den 7.9.2015 datiertes Empfangsbekenntnis zurückgesandt und am 11.9.2015 sofortige Beschwerde gegen den o.g. Beschluss eingelegt. Sie streitet ab, rechtsmissbräuchlich gegenüber der Antragsgegnerin vorgegangen zu sein. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Die Kosten des Rechtsstreits sind der Antragsgegnerin aufzuerlegen, weil sie ohne das erledigende Ereignis, nämlich ihr Abschlussschreiben vom 18.2.2015 in der Hauptsache unterlegen gewesen wäre.
1. Die Antragsgegnerin hat nicht glaubhaft machen können, dass der Antragstellerin die Prozessführungsbefugnis fehlte, weil ihre Rechtsverfolgung gem. § 8 A...