Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung des Streitwertes bei abweichendem Gegenstandswert
Leitsatz (amtlich)
Sofern teilweise Klagerücknahmen oder Erledigungserklärungen dazu führen, dass der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Gebührenstreitwert nicht für sämtliche zur Bemessung der RVG-Gebühren maßgeblichen Gegenstandswerte gilt, kann der Gebührenstreitwert bei einem Antrag gemäß § 33 RVG nach Zeitabschnitten festgesetzt werden, nachdem eine strenge Trennung zwischen Gebührenstreitwert und Gegenstandswert bei der Streitwertfestsetzung in der Rechtspraxis weitgehend unüblich ist.
Normenkette
RVG §§ 23, 33
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Beschluss vom 11.10.2023; Aktenzeichen 1 O 423/21) |
LG Limburg a.d. Lahn (Beschluss vom 24.11.2023; Aktenzeichen 1 O 423/21) |
Gründe
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Gebührenstreitwert - unter Abänderung der Beschlüsse des Landgerichts vom 11.10.2023 und 24.11.2023 - wie folgt festgesetzt (Beträge gerundet):
- bis zum 20.10.2021 |
23.522 EUR, |
- vom 21.10. bis 25.11.2021 |
3.324 EUR, |
- ab 26.11.2021 |
1.666 EUR. |
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die zulässige Beschwerde der Beklagten gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts, mit der sie eine teilweise Herabsetzung des festgesetzten Gebührenstreitwertes für bestimmte Prozessabschnitte im Hinblick auf die außergerichtlichen Gebühren begehrt, ist begründet.
Die Ansicht des Landgerichts, eine Festsetzung des Gebührenstreitwertes nach Zeitabschnitten sei nicht angezeigt (so Zöller/Herget ZPO, 35. Auflage, § 3 Rn. 8 - auch zum Meinungsstand), trifft für die Festsetzung der Gerichtsgebühren zu, weil diese gemäß § 6 GKG schon mit der Anbringung der Klage fällig werden. Eine anschließende Verminderung der Klageforderungen - wie sie durch teilweise Klagerücknahmen oder Erledigungserklärungen eintreten kann - hat auf die Höhe des insoweit maßgeblichen, zu Beginn des Verfahrens festgesetzten Gebührenstreitwertes keine Auswirkungen mehr. Anders ist dies bei den außergerichtlichen Kosten, die für die anwaltlichen Prozessbevollmächtigten nach der RVG entstehen und für die der Gegenstandswert im Sinne von §§ 2 Abs. 1, 22 ff. RVG maßgeblich ist. Der Gegenstandswert richtet sich gemäß § 23 RVG zwar grundsätzlich nach dem für die Gerichtsgebühren festgesetzten Gebührenstreitwert; bestimmte anwaltliche Gebühren können aber zu einem anderen Zeitpunkt als die Gerichtsgebühren entstehen, weshalb ein nur einheitlich für die Gerichtsgebühren festgesetzter Streitwert in diesen Fällen nicht ausreicht. Für diese Fälle sieht § 33 RVG vor, dass das Gericht die maßgeblichen Streitwerte (Gegenstandswerte) auf Antrag festsetzt.
Ein solcher Antrag nach § 33 RVG durch die Prozessbevollmächtigten liegt hier vor - das hat auch das Landgericht gesehen. Dieser Antrag hätte das Landgericht veranlassen müssen, den Streitwert jedenfalls im Abhilfeverfahren entsprechend festzusetzen (so im Übrigen auch die Fallkonstellation in der vom Landgericht in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Dresden, Beschluss vom 17.1.2019 - 8 W 24/19). Die Erwägungen im Beschluss vom 24.11.2023, mit dem das Landgericht den Antrag als unzulässig zurückgewiesen hat, sind unbehelflich, denn es liegt auf der Hand, in welchem Rahmen die Prozessbevollmächtigten tätig geworden sind, wenn es wie hier um die notwendige Berechnung der Gebühren geht, die den Prozessbevollmächtigten für ihre Tätigkeit im erstinstanzlichen Verfahren zustehen.
Ob in diesen Fällen nun der Gebührenstreitwert, also der Wert nach dem die Gerichtsgebühren berechnet werden, (ausnahmsweise) nach Zeitabschnitten festgesetzt wird, damit die sich daran anlehnende Berechnung der anwaltlichen Gebühren möglich ist, oder ob ein gesonderter Gegenstandswert für die Berechnung nur dieser Gebühren festgesetzt wird, ist einerlei, da dies aus den genannten Gründen keine Auswirkung auf die Berechnung der Gerichtsgebühren haben kann. Die Frage, ob der Gebührenstreitwert bei einer Verminderung der Klageforderung tatsächlich absinkt, dies allerdings ohne Auswirkungen auf die bereits vorher entstandenen Gerichtsgebühren bleibt, oder der Gebührenstreitwert insoweit unveränderlich bei Beginn des Verfahrens festgesetzt wird, muss hier nicht entschieden werden und wird - soweit ersichtlich - von der Kommentarliteratur nicht diskutiert, nachdem in der Praxis ohnehin in aller Regel auf die Unterscheidung der beiden Werte verzichtet wird.
Bei dieser Sachlage ergibt sich für den vorliegenden Fall Folgendes:
Der zutreffenden Darstellung des Landgerichts im Urteil vom 11.10.2023 folgend, betrug die höchste Klageforderung 23.521,22 EUR, nämlich 22.190,10 EUR zuzüglich der Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 21.10.2021 in Höhe von 1.331,12 EUR (- die zusätzlich geforderten Anwaltskosten sind streitwertneutral).
Für die Zeit nach dem Schriftsatz vom 21.10.2021 trat durch die teilweise Klagerücknahme in Höhe von 20.198,07 EUR eine Reduzierung des ...