Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Geschäftsgebühr bei PKH
Leitsatz (amtlich)
Unter den Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV ist eine angefallene Geschäftsgebühr auch auf die aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrensgebühr des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts anzurechnen.
Normenkette
RVG §§ 45, 55; RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Hanau (Aktenzeichen 7 O 106/08) |
Tatbestand
Die Klägerin hat den Beklagten auf Darlehensrückzahlung i.H.v. 25.000 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Mit Beschluss vom 14.4.2008 hat das LG dem Beklagten ratenfreie Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und ihm Rechtsanwalt RA1 beigeordnet. Mit Urteil vom 12.8.2008 hat das LG der Klage in vollem Umfang stattgegeben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Unter dem 22.8.2008 hat Rechtsanwalt RA1 beantragt, seine Vergütung auf insgesamt 969,85 EUR festzusetzen. Hierin enthalten ist eine nach einem Gegenstandswert von 25.000 EUR berechnete Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV i.H.v. 413,40 EUR.
Auf Anfrage des LG hat der Antragsteller mitgeteilt, dass er in der vorliegenden Sache bereits vorgerichtlich für den Beklagten tätig gewesen sei, diesem gegenüber jedoch keine Geschäftsgebühr abgerechnet habe.
Mit Beschluss vom 5.10.2008 hat die Urkundsbeamtin des LG die Vergütung des Antragstellers auf 723,88 EUR festgesetzt. Dabei hat sie eine nach § 49 RVG berechnete 0,65 Geschäftsgebühr i.H.v. 206,70 EUR auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Antragstellers hat das LG mit Beschluss vom 31.10.2008, dem Antragsteller zugestellt am 3.11.2008, zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 4.11.2008 bei Gericht eingegangenen Beschwerde, der das LG mit Beschluss vom 10.11.2008 nicht abgeholfen hat.
Der Antragsteller vertritt die Auffassung, dass die Geschäftsgebühr auf seinen Anspruch auf Prozesskostenhilfevergütung aus der Staatskasse nicht anzurechnen sei.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig. In der Sache selbst hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Der Antragsteller hat gegen die Landeskasse keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Vergütung, als sie in dem angefochtenen Beschluss festgesetzt worden ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt seine gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse. Die für die gesetzliche Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts maßgeblichen Gebührentatbestände sind dieselben wie bei anderen Prozessbevollmächtigten (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 121 Rz. 38). Allerdings wird die Höhe der von dem beigeordneten Rechtsanwalt verdienten Wertgebühren bei Gegenstandswerten von mehr als 3.000 EUR durch § 49 RVG begrenzt.
Durch die Tätigkeit des Antragstellers als Prozessbevollmächtigtem des Beklagten ist eine 1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV angefallen, die der Antragsteller in seinem Festsetzungsantrag zutreffend berechnet hat. Da der Antragsteller jedoch, wie er mit Schreiben vom 3.9.2008 erklärt hat, wegen desselben Gegenstands bereits vorgerichtlich für den Beklagten tätig war, ist die hierdurch entstandene 1,3 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Dies ergibt sich, wie das LG zu Recht angenommen hat, aus Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 RVG-VV.
Nach dieser Vorschrift wird eine Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, wenn und soweit die außergerichtliche und die gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts - wie hier - denselben Gegenstand betreffen. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (u.a. Beschluss vom 29.10.2007 in der Sache 18 W 275/07, Beschluss vom 30.10.2007 in der Sache 18 W 282/07, Beschluss vom 14.11.2007 in der Sache 18 W 283/07 und Beschluss vom 4.12.2007 in der Sache 18 W 296/07), die zwischenzeitlich auch vom BGH bestätigt worden ist (Beschluss vom 22.1.2008 in der Sache VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323; Beschluss vom 30.4.2008 in der Sache III ZB 8/08; Beschluss vom 3.6.2008 in der Sache VIII ZB 3/08; Beschluss vom 3.6.2008 in der Sache VI ZB 55/07), unabhängig davon, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits ausgeglichen ist.
Soweit der Antragsteller die Auffassung vertritt, im Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei die Verfahrensgebühr des beigeordneten Rechtsanwalts nicht zu kürzen, findet dies im Gesetz keine Grundlage. Insbesondere enthält Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV keine Ausnahmeregelung zugunsten beigeordneter Rechtsanwälte. Eine solche Ausnahme wäre auch nach dem Zweck der Vorschrift nicht gerechtfertigt, der darin besteht, eine doppelte Honorierung des wegen desselben Gegenstands außergerichtlich und gerichtlich tätig gewordenen Rechtsanwalts für...