Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zwangsvollstreckung aus aufgehobenem Unterlassungstitel
Leitsatz (amtlich)
1. Ist eine im Beschlusswege erlassene Unterlassungsverfügung auf den Widerspruch des Antragsgegners durch Urteil aufgehoben und hat eine gegen dieses Urteil eingelegte Berufung Erfolg, kommt nur der Erlass einer neuen inhaltsgleichen Unterlassungsverfügung durch das Berufungsgericht, nicht aber die rückwirkende Bestätigung der zunächst aufgehobenen Beschlussverfügung in Betracht.
2. In dem unter Ziff. 1. dargestellten Fall können wegen etwaiger Zuwiderhandlungen, die der Antragsgegner während des Bestandes der Beschlussverfügung begangen hat, auch dann kein Ordnungsmittel nach § 890 ZPO verhängt werden, wenn die einstweilige Verfügung im Berufungsverfahren erneut erlassen wird.
Normenkette
ZPO § 890
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 50.000 EUR
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat die Vollstreckungsanträge nach § 890 ZPO mit Recht zurückgewiesen, nachdem das LG mit Urteil vom 24.1.2012 die Beschlussverfügung vom 21.11.2011 unter Zurückweisung des Eilantrages aufgehoben hat. Infolge dieser Aufhebungsentscheidung ist die Wirkung der Unterlassungsverfügung von Anfang an (ex tunc) entfallen, so dass dieser Titel keine Grundlage für eine Ahndung bereits begangener Zuwiderhandlungen mehr sein kann (vgl. Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Rz. 19 zu Kap. 66 m.w.N., sowie - für den Fall des Titelfortfalls infolge übereinstimmender Erledigungserklärungen BGH GRUR 2004, 264 - Euro-Einführungsrabatt, Tz. 30).
Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass die Antragstellerin gegen das Urteil des LG Berufung eingelegt hat, mit der sie den Verfügungsanspruch weiterverfolgt.
Solange über diese Berufung nicht entschieden ist, besteht ohnehin kein Unterlassungstitel, der Grundlage für eine Vollstreckung nach § 890 ZPO sein könnte; die Beschwerde kann daher derzeit ohnehin keinen Erfolg haben.
Aber auch für die von der Antragstellerin mit der Berufungsbegründung angeregte Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens besteht kein Anlass. Denn selbst wenn die Berufung Erfolg hat, kann dies allenfalls zum Erlass einer neuen einstweiligen Verfügung gleichen Inhalts, nicht aber zu einer rückwirkenden Bestätigung der Beschlussverfügung vom 21.11.2011 führen; die Wirkung dieser einstweiligen Verfügung ist nämlich mit der Aufhebungsentscheidung des LG endgültig wirkungslos geworden (vgl. hierzu OLG Hamburg WRP 1997, 53). Insoweit unterscheidet sich die Situation maßgeblich von derjenigen, dass lediglich die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einer - weiterhin bestehenden - einstweiligen Verfügung zunächst angeordnet und sodann wieder aufgehoben wird (vgl. hierzu Ahrens, a.a.O., Rz. 18 zu Kap. 66).
Der gegenteiligen Auffassung des OLG München, wonach bei erneutem Erlass der einstweiligen Verfügung auf Grund des identischen Sachverhalts der Schuldner auch wegen einer während des Bestands der aufgehobenen Beschlussverfügung begangenen Zuwiderhandlung zu bestrafen sei (NJWE-WettbR 2000, 147) vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Denn sie trägt nicht dem Umstand Rechnung, dass die Wirkung der Beschlussverfügung mit der Aufhebungsentscheidung des LG endgültig beseitigt worden ist und - wovon auch das OLG München ausgeht (a.a.O. Tz. 18) - mit der Berufungsentscheidung gerade nicht wiederhergestellt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht erfüllt (§§ 574 II i.V.m. 542 II ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2954476 |
GRUR-Prax 2012, 247 |