Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge aus Gründen des Kindeswohls
Normenkette
BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Wetzlar (Beschluss vom 28.09.2015; Aktenzeichen 618 F 137/15) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des zweiten Rechtszugs werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
Der Beschwerdeführerin wird für den zweiten Rechtszug Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt RA1 in Stadt1 bewilligt. Ihr wird aufgegeben, aus ihrem Vermögen bis zum 31.1.2023 einen Betrag von 1.487,19 Euro auf die ihr bewilligte Verfahrenskostenhilfe zu zahlen.
Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 3.000,- Euro.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Regelung der elterlichen Sorge für das aus ihrer Ehe hervorgegangene, am ... 2013 geborene Kind A.
A wurde bis zur Trennung der Beteiligten im Januar 2015 auf Grund eines einvernehmlichen Entschlusses der Eltern von der Mutter gestillt und seit etwa seinem siebten Lebensmonat mit weitgehend veganer, teilweise vegetarischer Beikost ernährt. Beide Eltern verfolgten ein alternatives, auf eine natürliche Bedürfnisregulierung des Kindes ohne erzieherische Vorgaben der Eltern angelegtes Erziehungskonzept. Es war vereinbart, dass die Mutter A während ihrer dreijährigen Elternzeit betreut und er anschließend einen ...(Kindergarten) besucht. Der Vater war mit Ausnahme von zwei Monaten Elternzeit durchgängig in Vollzeit berufstätig.
Im März 2014 kam es zu einer ersten Gefährdungsmeldung des behandelnden Kinderarztes an das beteiligte Jugendamt, in welcher dieser auf eine extreme Mangelversorgung des Kindes und eine damit einher gehende Verzögerung der Größen- und Gewichtszunahme bei Verweigerung zusätzlicher Vitamin-D-Gabe durch die Eltern hinwies. Auf Vermittlung des Jugendamts wurde A daraufhin vom 28.3.2014 bis zum 16.4.2014 stationär in der neuro- und sozialpädiatrischen Abteilung des ... Klinikum Stadt2 behandelt. Dort wurden ein Eisen- und ein Vitamin-D-Mangel bei dystrophem Ernährungszustand und im Übrigen unauffälligen Werten und stabilem Allgemeinzustand festgestellt. Trotz einer Gewichtszunahme von nur 250g während der stationären Behandlung wurde A am 16.4.2014 nach Erarbeitung eines Ernährungsplans in stabilem Allgemeinzustand nach Hause entlassen; beiden Eltern wurde eine Familientherapie empfohlen. Auf den Entlassungsbericht vom 16.4.2014, Bl. 474 f. der Akte, wird Bezug genommen. Der Vater verabreichte A anschließend nach eigenen Angaben heimlich und ohne Wissen der Mutter zusätzliche Vitamin-D-Gaben. Die Mutter lehnte eine zusätzliche Gabe von Vitamin D ab und vertrat die Auffassung, es habe sich diesbezüglich nur um eine ärztliche Empfehlung gehandelt. Die Versorgung mit Vitamin D könne auch über die Gabe sonnengereifter Früchte sichergestellt werden. Wenn die zusätzliche Gabe von Vitamin D von ärztlicher Seite verordnet werde, sei sie hierzu aber auch bereit.
Ab 20.5.2014 erhielten beide Eltern sozialpädagogische Familienhilfe mit einem Umfang von 20 Wochenstunden. Aufgabe der Familienhilfe war in erster Linie die Kontrolle der Ernährungssituation des Kindes. Die Familienhilfe wurde nach vorangegangener Reduzierung der Wochenstunden am 22.10.2014 auf Wunsch beider Eltern eingestellt; insbesondere die Mutter hatte nach Angaben des beteiligten Jugendamts eine Zusammenarbeit abgelehnt.
Bereits im Juli 2014 hatte der von beiden Eltern im Anschluss an die stationäre Behandlung aufgesuchte neue Kinderarzt wegen der weiterhin unzureichenden Gewichtszunahme des Kindes eine erneute stationäre Behandlung empfohlen. Beide Eltern konsultierten daraufhin einen weiteren Kinderarzt, welcher zunächst keine Veranlassung für eine stationäre Behandlung sah und einen neuen Ernährungsplan aufstellte.
Ab August 2014 gingen beim Jugendamt mehrere Mitteilungen aus dem familiären Umfeld ein, in welchen psychische Auffälligkeiten der Mutter und die Besorgnis einer Abschottung des Kindes durch die Mutter geäußert wurden. Tatsächlich war es nach der Geburt des Kindes nur in sehr eingeschränktem Umfang zu Kontakten des Kindes mit seinen Großeltern mütterlicher- und väterlicherseits gekommen, obwohl beide in der Nähe lebten und vor der Geburt regelmäßiger Kontakt zwischen Eltern und Großeltern des Kindes bestand. Die Mutter besuchte mit A allerdings in zwei- bis dreiwöchigen Abständen eine Eltern-Kind-Gruppe, außerdem einen Babyschwimm- und einen Yogakurs. Als Folge diesbezüglicher Diskussionen der Eltern befindet sie sich seit längerer Zeit in regelmäßiger Behandlung eines Heilpraktikers, welcher bei ihr gemäß ihrer Angaben gegenüber der vom AG beauftragten Gutachterin eine craniosacrale Therapie durchführt.
Am 8.1.2015 meldete dann auch der zuletzt aufgesuchte Kinderarzt dem Jugendamt eine Gefährdung des Kindeswohls. Er berichtete, das Kind werde unzureichend ernährt und habe seit November 2014 erneut nicht zugenommen; mit der Ergreifung von Maßnahmen solle nicht länger als eine Woche abgewartet werden. Der Vater trennte sic...