Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen eines (ausnahmsweisen) Entzugs des Umgangsbestimmungsrechts beider Eltern und der Einrichtung einer Umgangsbestimmungspflegschaft in einem Fall, in dem die Eltern über den Umgang des betroffenen Kindes mit dem nicht betreuenden Elternteil streiten.

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Der Entzug des Rechts zur Antragstellung nach dem SGB VIII wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen, d.h. es bleibt beim Entzug des Umgangsbestimmungsrechts und der diesbezüglich angeordneten Pflegschaft.

Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Ihre durch die Beschwerde verursachten Aufwendungen tragen die Beteiligten selbst. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs bleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Dem Vater wird für den zweiten Rechtszug ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin W. bewilligt.

Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Ergreifung gerichtlicher Maßnahmen in Bezug auf die elterliche Sorge zur Abwendung einer Gefährdung des Kindeswohls.

Die beteiligten Kindeseltern - der Vater ist deutscher Staatsangehöriger, die Mutter sambische Staatsangehörige - sind miteinander verheiratet und üben die elterliche Sorge für beide Kinder gemeinsam aus. Eltern und Kinder lebten bis zum 7.3.2013 in einem gemeinsamen Haushalt im Haus der Großeltern väterlicherseits in G. Am 7.3.2013 begab sich die Mutter mit beiden Kindern ohne Vorwarnung in ein Frauenhaus, nachdem sie bei B. ein paar Tage zuvor eine Verletzung im Analbereich bemerkt hatte und einen sexuellen Missbrauch des Kindes durch den Vater vermutete. Sie unterrichtete den Vater zunächst nicht über ihren Aufenthaltsort bzw. den der Kinder. Am 14.3.2013 stellte sie B. im Klinikum F. vor, das Fotografien der Verletzung fertigte und B. zur weiteren Abklärung an die Kinderschutzambulanz des Klinikums K. überwies. Dort wurde bei der Untersuchung am 20.3.2013 eine 1,5 cm oberhalb der Analöffnung gelegene 1,5 - 2 cm lange narbenartige Struktur vorgefunden, deren traumatisch sexuelle Zufügung zwar als ungewöhnlich bezeichnet wurde, jedoch auch nicht ausgeschlossen werden konnte. Wegen der Einzelheiten des Untersuchungsbefunds wird auf den Arztbericht vom 25.3.2013, Bl. 112 der Akte, Bezug genommen.

Nachdem die Mutter in den vom Vater beim AG angestrengten einstweiligen Anordnungsverfahren zur Regelung des Umgangs und der elterlichen Sorge ebenfalls den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs B. s durch den Vater geäußert hatte, leitete das AG im Anschluss an eine Anhörung der Beteiligten und des Kindes L. am 25.4.2013, wegen deren Ergebnis auf die Sitzungsniederschrift, Bl. 1 ff. der Akte, Bezug genommen wird, vorliegendes Hauptsacheverfahren zur Prüfung der Erforderlichkeit der Ergreifung gerichtlicher Maßnahmen in Bezug auf die elterliche Sorge ein. In den einstweiligen Anordnungsverfahren vereinbarten die Eltern begleitete Umgänge des Vaters mit beiden Kindern im vierzehntägigen Rhythmus und beantragten die für eine Begleitung der Umgänge erforderliche Hilfe zur Erziehung. In einem weiteren einstweiligen Anordnungsverfahren vereinbarten die Eltern, dass beide Kinder ihren Lebensmittelpunkt bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren bei der mittlerweile nach F. verzogenen Mutter haben und dass diese den Vater zeitnah über alle wesentlichen die Kinder betreffenden Angelegenheiten unterrichtet.

Seit Juli 2013 finden begleitete Umgangskontakte zwischen B. und seinem Vater statt, zunächst in zweiwöchigem Abstand. L. verweigert jeglichen Kontakt zum Vater standhaft, weshalb dieser nach mehreren gescheiterten Versuchen davon abgesehen hat, L. weiter mit in den begleiteten Umgang einzubeziehen. Die Kontakte zwischen B. und seinem Vater finden seit geraumer Zeit in wöchentlichem Abstand für jeweils drei Stunden statt, wobei inzwischen nur noch die Übergabe des Kindes an den Vater und zurück an die Mutter vom Träger F. begleitet wird. Da die Finanzierung der Umgangsbegleitung im Rahmen der Hilfe zur Erziehung ausläuft, weil seitens des hierfür zuständigen Jugendamts keine Notwendigkeit für eine Begleitung mehr gesehen wird, sollen die Umgangskontakte zwischen B. und seinem Vater auf Anordnung des Ergänzungspflegers ab Mai 2015 ohne jegliche Begleitung erfolgen und behutsam ausgeweitet werden.

Im vorliegenden Verfahren holte das AG ein rechtsmedizinisches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. B. sowie ein familienpsychologisches Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Psych. C. ein. Der Sachverständige Prof. Dr. B. gelangte zu dem Ergebnis, ein sexueller Missbrauch sei aus rechtsmedizinischer Sicht nicht belegbar; die vorgefundenen Verletzungen seien am Ehesten durch eine Hauterkrankung zu erklären. Die Sachverständige C. stellte fest, auch die psychologische Begutachtung habe keine bestätige...

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