Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung einer in Afghanistan geschlossenen "Handschuhehe" und Prüfung des Mindesalters für die Ehe
Normenkette
EGBGB Art. 13 Abs. 3; FamFG § 127
Verfahrensgang
AG Darmstadt (Beschluss vom 02.11.2023; Aktenzeichen 53 F 1230/23 E1) |
Tenor
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Ehegatten hälftig. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten, die beide die afghanische Staatsangehörigkeit besitzen, haben am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan die Ehe in Form einer sogenannten "Handschuh-Ehe" miteinander geschlossen, wobei durch das Generalkonsulat der islamischen Republik Afghanistan in Bonn am XX.XX.2022 eine Heiratsbescheinigung ausgestellt wurde. In der Heiratsbescheinigung vom XX.XX.2022 ist die Antragsgegnerin als Vorname1 A, geboren am XX.XX.2000 mit der Passnummer ... aufgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Generalkonsulat von Afghanistan in Bonn mit Siegel und Unterschrift vom 05. März 2024 bestätigte im Original vorgelegte Heiratsbescheinigung verwiesen. Bei der Eheschließung war nur die Antragsgegnerin anwesend, der am XX.XX.1996 geborene Antragsteller hingegen nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Heiratsbescheinigung vom XX.XX.2022 Bezug genommen. Die Verlobung der Beteiligten hatte bereits am 15. Januar 2019 in Afghanistan stattgefunden. Der Antragsgegner lebt seit 2015 in Deutschland und verfügt hier über eine Aufenthaltserlaubnis als anerkannter Flüchtling. Seit der Verlobungsfeier telefonierten die Beteiligten regelmäßig miteinander, insbesondere fanden auch Videotelefonate statt. Zwischen den Beteiligten bestehen unterschiedliche Auffassungen über das Geburtsdatum der und den Vornamen der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin stammt ursprünglich aus Stadt5/Afghanistan und gehört zur Volksgruppe der Hazare. Bis zu ihrer Flucht im Frühjahr 2022 lebte sie in Stadt4/Afghanistan. Bei ihrer Flucht war sie im Besitz eines am 30. Juli 2019 durch das Kabul Central Passport Department ausgestellten afghanischen Reisepasses auf die Personalien Vorname1 A, geboren am XX.XX.2000 in Stadt5, der ID-Nummer ... und der Passnummer ... . Auf die Kopie des afghanischen Reisepasses wird verwiesen. Die Antragsgegnerin reiste zunächst mit dem Fahrzeug in den Land1 und flog von dort aus nach Land2, wo sie für fünf Monate verblieb. Im Rahmen der weiteren Flucht reiste sie mit einem Visum nach Land3. Das Visum ist auf die Personalien Vorname1 A, geboren am XX.XX.2000, Passnummer ... ausgestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Visum Bezug genommen. Nach ihrer Einreise nach Deutschland am 20. August 2022 hielt sich die Antragsgegnerin zunächst in Stadt1 auf und traf dort erstmals persönlich auf den Antragsteller. Beide hielten sich sodann für etwa drei Wochen zusammen bei einem Bekannten des Antragstellers in der Nähe von Stadt2 auf. Am 15. September 2022 wurde die Antragsgegnerin als unbegleitete minderjährige Jugendliche aufgrund einer Selbstmeldung durch das Jugendamt in Stadt3 in Obhut genommen. Gegenüber dem Jugendamt gab sie bei der Alterseinschätzung den Namen Vorname2 A und das Geburtsdatum XX.XX.2006 an. Ihren Familienstand gab sie mit ledig an. Ausweispapiere legte sie nicht vor. Im Einzelnen wird auf die Niederschrift über die Alterseinschätzung des Jugend- und Sozialamtes der Stadt3 vom 15. September 2022 Bezug genommen. Der Antragsgegnerin wurde mit Bescheid vom 31. Januar 2024 unter den Personalien Vorname2 A, geb. am XX.XX.2006 in Stadt5/Afghanistan subsidiärer Schutzstatus zuerkannt. Auf den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. Januar 2024 wird Bezug genommen. Die Antragsgegnerin lebt in einer traumapädagogischen Mädchen-Wohngruppe in Stadt8 und stand bis zu ihrer Volljährigkeit unter der Vormundschaft des Landkreises Stadt6-Stadt7.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich behauptet, die Antragsgegnerin habe ausschließlich die Ehe mit ihm geschlossen, um ein Visum für die Einreise nach Deutschland zu erhalten. Nach ihrer Einreise nach Deutschland habe sie sich jünger gemacht als sie tatsächlich sei und unter dem Namen Vorname1 A einen Asylantrag gestellt. Sie habe ihm dazu erklärt, sie werde sich mit falschem Namen und minderjährigem Alter in Deutschland melden, um ihre Familienangehörigen nachholen zu können. Es sei ihr ausschließlich darum gegangen, ein Aufenthaltsrecht für Deutschland zu erhalten. Ihren wahren Willen, nämlich keine Ehe mit ihm zu führen, habe sie nicht deutlich gemacht. Erst am 01. September 2022 habe sie ihm erklärt, sie wolle auf keinen Fall mit ihm zusammenleben.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt,
die am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan geschlossene Ehe der Beteiligten wird aufgehoben,
hilfsweise, die Ehe zu scheiden.
Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich keine Anträge gestellt.
Sie hielt die Ehe für nichtig. Unter Vorlage der Ablichtung einer am 29. Feb...