Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerrechtliches Zurückhalten des Kindes gemäß Art, 3 HKÜ bei gemeinsamem Sorgerecht

 

Normenkette

BGB § 1626 Abs. 1; HKÜ Art. 3, 12-13; IntFamRVG Art. 40 Abs. 2; KSÜ Art. 16

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 24.01.2023)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. (Mutter) vom 08.02.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 24.1.2023 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der weiteren Beteiligten zu 1. auferlegt.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

IV. Der hilfsweise gestellte Antrag der Mutter auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten streiten um die Rückführung der Kinder Vorname1 und Vorname2 A nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) in die USA.

 

Gründe

I. Die Beteiligten haben am 5.1.2012 in Stadt1, County1, im US-Bundesstaat X die Ehe miteinander geschlossen. Am XX.XX.2012 wurde die gemeinsame Tochter Vorname1 in Stadt1 geboren. Die Familie siedelte dann nach Deutschland über, wo am XX.XX.2013 die Tochter Vorname2 geboren wurde. Der Vater und beide Kinder haben sowohl die deutsche, als auch die US-amerikanische Staatsangehörigkeit; die Mutter ist deutsche Staatsangehörige.

Die Familie lebte bis auf eine mehrmonatige Unterbrechung durch einen Kanada- Aufenthalt im Jahr 201X bis Ende März 2020 in Deutschland. Dann verzog die Familie in die USA, wo sie im Bundesstaat Y lebte.

Nach der Trennung der Eltern flog die Mutter im April 2022 im Einverständnis des Vaters mit beiden Kindern nach Deutschland. Die Kinder besuchten beide dann in Deutschland die Schule.

Die Mutter wandte sich im August 2022 an das zuständige Jugendamt und bat um Hilfe bei der Frage, wie es zu verhindern sei, dass der Vater im Oktober nach Deutschland einreise und die Kinder mit in die USA nehme. Sie berichtete dabei dem Jugendamt davon, dass die Vereinbarung der Eltern, wonach sie die Kinder habe mit nach Deutschland nehmen dürfen, auf 6 Monate befristet gewesen sei.

Das Jugendamt verwies die Mutter auf den Rechtsweg. Die Mutter stellte daher Anfang Oktober 2022 drei Anträge bei dem für ihren Wohnort zuständigen Amtsgericht Groß-Gerau:

Sie beantragte sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im Wege der einstweiligen Anordnung, dass ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder allein übertragen werde (Amtsgericht Groß-Gerau, Az.: Aktenzeichen1 und Aktenzeichen2). Ferner beantragte sie, im Wege der einstweiligen Anordnung gegen den Vater eine Grenzsperre zu erlassen und ihm so zu untersagen, die gemeinschaftlichen Kinder außerhalb des Staatsgebietes Deutschlands zu verbringen.

Zum letztgenannten Verfahren (Aktenzeichen2) erließ das Amtsgericht Groß-Gerau am 10.10.2023 einen Beschluss, in welchem im Wege der einstweiligen Anordnung die von der Mutter begehrte Grenzsperre gegen den Vater bezüglich der beiden Kinder verhängt wurde.

Der Vater stellte seinerseits am 23. November 2022 beim zuständigen Amtsgericht Frankfurt am Main einen Antrag nach Art. 12 HKÜ auf Rückführung der Kinder in die USA.

Nachdem das Amtsgericht Groß-Gerau durch das Amtsgericht Frankfurt am Main von diesem Antrag unterrichtet worden war, hat das Amtsgericht Groß-Gerau die dort anhängigen sorgerechtlichen Verfahren ausgesetzt.

Der Vater behauptet, es sei von Anfang an zwischen den Eltern vereinbart gewesen, dass der Aufenthalt in Deutschland auf max. 6 Monate befristet sei und die Mutter danach, d.h. im Oktober 2022, mit den Kindern in die USA zurückkehren werde.

Er hat beantragt,

die Mutter zu verpflichten, die Kinder Vorname2 A und Vorname1 A innerhalb einer Frist von 6 Wochen ab Wirksamkeit des Beschlusses in die Vereinigten Staaten von Amerika zurückzuführen und hierzu weitere im Einzelnen näher konkretisierte Vollzugsanordnungen zu treffen.

Die Mutter hat beantragt,

diese Anträge sämtlich zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass eine Entführung im Sinne des HKÜ nicht vorliege.

Sie bestreitet, dass vereinbart gewesen sei, dass sie mit den Kindern nach einem bestimmten Zeitraum wieder in die USA zurückkehren werde. Sie habe lediglich zugesichert, nach 6 Monaten einen Umgangskontakt des Vaters mit den Kindern zu ermöglichen.

Das Amtsgericht hat den Kindern eine Verfahrensbeiständin bestellt und diese, sowie beide Eltern, das Jugendamt und auch die Kinder selbst persönlich angehört. Die Kinder begegneten den Vater zufällig nach deren Anhörung auf dem Gerichtsflur. Beide liefen sofort zu ihm und schließen ihn in die Arme.

Mit Beschluss vom 24.1.2023 hat das Amtsgericht dem Antrag des Vaters uneingeschränkt stattgegeben und die Mutter verpflichtet, die beiden Kinder innerhalb einer Frist von 6 Wochen ab Wirksamkeit des Beschlusses in die USA zurückzuführen sowie auch die weiteren vom Vater begehrten Vollzugsanordnungen getroffen.

Gegen diesen, ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 26. 1. 2023 zugestellten Beschluss richtet sich die am 8.2....

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