Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum "Vertretenmüssen" im Sinne von § 8 Abs. 1 JVEG: Fahrlässigkeit ist ausreichend

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für alle Varianten von § 8a JVEG gilt ein einheitlicher Verschuldensmaßstab, der auch die Fahrlässigkeit umfasst. Für das Entfallen des Vergütungsanspruchs eines Sachverständigen gemäß § 8a Abs. 1 JVEG reicht deshalb die fahrlässige Unterlassung der Anzeige des Vorliegens eines Ablehnungsgrundes aus.

2. § 8a Abs. 1 a. E. JVEG enthält darüber hinaus ebenso wie § 8a Abs. 5 a. E. JVEG eine Verschuldensvermutung, weshalb es demjenigen, der die Vergütung beansprucht, obliegt, entlastende Umstände darzutun.

 

Normenkette

JVEG § 8a Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 27.02.2017; Aktenzeichen 2-26 OH 38/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Staatskasse vom 02.03.2017 wird der Beschluss des LG Frankfurt am Main vom 27.02.2017 wie folgt abgeändert:

Der Vergütungsfestsetzungsantrag des Sachverständigen und Beschwerdegegners vom 19.11.2015 wird abgelehnt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist die Bauherrin eines Bauvorhabens, über das sie mit der Antragsgegnerin zu 1. einen Generalunternehmervertrag geschlossen hatte. Nach Errichtung und Abnahme der Gebäude im Jahr 2009 beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22.12.2014 (Bl. 1 bis 17 d.A.) die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zwecks Feststellung von Baumängeln gegen die Antragsgegnerin zu 1. sowie die ebenfalls am Bau beteiligt gewesenen Antragsgegner zu 2., 3., 4. und 5. Ihrer Antragsschrift fügte die Antragstellerin u..a. ein Gutachten des von ihr beauftragten Sachverständigen SV1 vom 05.08.2013 bei (Anlage ASt 9). Die Antragsgegnerin zu 1. erwiderte mit Schriftsatz vom 24.02.2015 (Bl. 102 bis 113 d.A.), in welchem sie u..a. vortrug, sie habe baubegleitend ein Gutachten der Sachverständigen SV2 eingeholt. Die Antragsgegnerin zu 1. reichte die Blätter 22 und 23 dieses Gutachtens als Anlage AG1-7b zur Akte. Mit Beschluss vom 01.04.2015 (Bl. 144 bis 153 d.A.) bestellte das LG den Beschwerdegegner als Sachverständigen und übersandte ihm die Akten mit Schreiben vom 20.05.2015 (Bl. 185, 186 d.A.).

Der Beschwerdegegner unterließ in der Folgezeit die Mitteilung, dass er seit vielen Jahren gemeinsam mit der Sachverständigen SV2 einen X betreibt, für den er gemeinsam mit dieser unter der Bezeichnung "X" auch damit wirbt, dass die beiden Sachverständigen ein "Team" bzw. "Vortragsduo" seien.

Nachdem der Beschwerdegegner sein Gutachten erstattet hatte, lehnte ihn die Antragstellerin, die unterdessen von der Beteiligung des Beschwerdegegners an dem X erfahren hatte, ab, weil sie besorgt war, der Beschwerdegegner könne befangen sein. Das LG wies dieses Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 14.06.2016 (Bl. 616 bis 618 d.A.) zurück. Auf die gegen diesen Beschluss von der Antragstellerin eingelegte sofortige Beschwerde änderte der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts mit Beschluss vom 12.09.2016 (Az.: 21 W 97/16, Bl. 650 bis 657 d.A.) den Beschluss des LG ab und erklärte das Ablehnungsgesuch für begründet.

Auf den Antrag des Beschwerdegegners vom 19.11.2015 (Bl. 387, 388 d.A.) hat das LG mit Beschluss vom 27.02.2017 (Bl. 722 bis 726 d.A.) zugunsten des Beschwerdegegners eine Vergütung von EUR 8.517,31 gegen die Staatskasse festgesetzt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Schreiben vom 02.03.2017 (Bl. 727 d. A) eingelegte und mit Schreiben vom 21.03.2017 (Bl. 728, 729 d.A.) begründete Beschwerde der Staatskasse, zu der der Beschwerdegegner mit Schreiben vom 17.04.2017 (Bl. 734 d.A.) und vom 22.04.2017 (Bl. 739 d.A.) Stellung genommen und sich dabei u..a. auf seine Schreiben vom 22.03.2016 (Bl. 559 bis 565 d.A.) und vom 23.11.2016 (Bl. 701, 702 d.A.) bezogen hat.

II. Der Beschluss des LG vom 27.02.2017 ist auf die Beschwerde der Staatskasse vom 21.03.2017 dahin abzuändern, dass der Vergütungsfestsetzungsantrag des Beschwerdegegners vom 19.11.2015 abgelehnt wird.

1. Die gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 JVEG statthafte Beschwerde der Staatskasse vom 21.03.2017 (Bl. 728, 729 d.A.) ist zulässig, insbesondere ist der für die Zulässigkeit der Beschwerde vorausgesetzte Beschwerdewert von mehr als EUR 200,- erreicht.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Zu Unrecht hat das LG mit dem angefochtenen Beschluss vom 27.02.2017 auf den Vergütungsfestsetzungsantrag des Beschwerdegegners vom 19.11.2015 zu dessen Gunsten eine Vergütung in Höhe von EUR 8.517,31 gegen die Staatskasse festgesetzt.

Dies folgt aus § 8a Abs. 1 JVEG. Dieser Regelung zufolge entfällt der Vergütungsanspruch eines Sachverständigen, wenn er es unterlässt, der heranziehenden Stelle unverzüglich solche Umstände anzuzeigen, die zu seiner Ablehnung durch einen Beteiligten berechtigen, es sei denn, er hat die Unterlassung nicht zu vertreten.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

a) § 8a Abs. 1 JVEG sanktioniert einen "Anfangsfehler" (so Hartmann, Kostengesetze, Rdnr. 9 zu § 8a JVEG) des Sachvers...

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