Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehung der Beweisgebühr

 

Normenkette

BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 273 Abs. 2 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Beschluss vom 26.05.2003; Aktenzeichen 6 O 2630/98)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin bei dem LG Kassel vom 26.5.2003, soweit in diesem Beschluss die von dem Beklagten geltend gemachte Beweisgebühr nicht berücksichtigt worden ist, wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.184,72 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Parteien streiten darum, ob eine Beweisgebühr in ihrem durch gerichtlichen Vergleich vom 17.2.2003 beendeten Rechtsstreit entstanden und daher entspr. der vergleichsweise vereinbarten Kostenquote von 94 % zu Lasten der Kläger bei der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen ist. Der Beklagte begründet seine Ansicht, die Beweisgebühr sei angefallen, damit,

  • dass der Einzelrichter der Zivilkammer durch Beschluss vom 5.5.1999 die prozessleitende Ladung der Zeugin Dr. K. beschlossen und dabei das voraussichtliche Beweisthema formuliert habe,
  • dass die Zeugin, die im Einzelrichtertermin vom 14.7.1999 erschienen war, dann aber nicht vernommen wurde, bevor sie den Sitzungssaal verlassen habe, über ihr Zeugenpflichten belehrt worden sei,
  • dass die später zuständige Einzelrichterin im Zusammenhang eines Hinweisbeschlusses vom 22.1.2003 damit argumentiert habe, dass eine Beweisaufnahme erforderlich sei, ergebe sich auch daraus, dass im Laufe des Verfahrens bereits ein Beweisbeschluss ergangen sei, wonach Frau Dr. K. als Zeugin vernommen werden sollte.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist statthaft (§§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 2 S. 2 ZPO), form- und fristgerecht erhoben (§ 569 ZPO) und auch i.Ü. zulässig.

Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg, da die Rechtspflegerin die zur Festsetzung beantragte anwaltliche Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO zu Recht nicht berücksichtigt hat. Zur Festsetzung geeignet sind nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO nur die für eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung notwendigen Kosten des Beklagten; dazu zählen die gesetzlichen Anwaltsgebühren nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO. Diese Vorschrift setzt die „Vertretung der Partei im Beweisaufnahmeverfahren” voraus.

Ein gerichtliches Beweisaufnahmeverfahren – nur ein solches Beweisaufnahmeverfahren meint § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO (Hartmann, Kostengesetze, 26. Aufl., § 31 BRAGO Rz. 96) – liegt aber nicht schon vor, wenn das Gericht nur eine sitzungsvorbereitende Maßnahme nach § 273 Abs. 2 ZPO trifft, also etwa – wie hier – die Ladung eines Zeugen nach § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO beschließt. Hierin liegt noch nicht der Erlass eines – die Beweisgebühr allerdings auslösenden – Beweisbeschlusses nach § 358 ZPO oder § 358a ZPO, weil eine solche Beweisvorbereitungsmaßnahme (OLG Koblenz JurBüro 2000, 23) noch nicht den Schluss auf die unbedingte Absicht des Gerichtes zur Klärung einer Tatsache durch Beweisaufnahme zulässt, bei deren Umsetzung „im Beweisaufnahmeverfahren” erst der Anwalt seine Partei i.S.v. § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO vertreten kann. Denn die vorsorgliche Anordnung soll die sofortige Durchführung einer Beweisaufnahme ermöglichen, falls sich in der mündlichen Verhandlung die Notwendigkeit ergeben sollte; das Beweisaufnahmeverfahren beginnt daher erst, wenn das Gericht in der Verhandlung die Beweiserhebung ausdrücklich oder stillschweigend – etwa durch den Beginn der Vernehmung – beschließt. Erst dieser Beschluss ist die Beweisanordnung und ermöglicht eine Vertretung der Partei in einem Beweisaufnahmeverfahren nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO (so zu Recht OLG Schleswig v. 11.1.2001 – 9 W 3/01, MDR 2001, 898). Es ist daher anerkannt, dass der Beschluss über die vorbereitende Zeugenladung als solcher kein Beweisbeschluss und die tatsächliche Durchführung dieser Ladung kein Beweisaufnahmeverfahren i.S.v. § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO ist (vgl. OLG Schleswig v. 11.1.2001 – 9 W 3/01, MDR 2001, 898; OLG Nürnberg v. 14.8.2000 – 6 W 2480/00, MDR 2001, 114; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 274 Rz. 15).

Auch die vorsorgliche Belehrung der Zeugin über ihre Pflichten zu Beginn der mündlichen Verhandlung lässt nicht den Schluss zu, dass das Gericht bereits die unbedingte Absicht hatte, die Klärung von Tatsachen durch eine Beweisaufnahme zu erreichen. Denn diese Belehrung ist noch nicht der Beginn der Vernehmung der Zeugin zum Zwecke der Beweisaufnahme, sondern geschieht nur vorsorglich für den Fall, dass das Gericht im Laufe der Verhandlung zu dem Entschluss kommt, die Zeugin tatsächlich zu vernehmen. Die Belehrung der Zeugin über ihre Wahrheitspflicht und die Möglichkeit einer Beeidigung dienen noch nicht selbst der Aufklärung bestimmter Tatsachen; § 395 Abs. 1 ZPO ist vielmehr eine bloße Ordnungsvorschrift (vgl. OLG Nürnberg v. 14.8.2000 – 6 W 2480/00, MDR 2001, 114). Die Beweisaufnahme selbst beginnt vielmehr erst mit der Vernehmung der Zeugin zur Person, § 395 Abs. 2 ...

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