Entscheidungsstichwort (Thema)
Sittenwidrige Verknüpfung zwischen Erbenstellung und Besuchspflicht
Leitsatz (amtlich)
Setzt ein Erblasser erbrechtliche Vermögensvorteile als Druckmittel für zu Lebzeiten durchzuführende Besuche seiner Enkelkinder ein, ist eine an die Besuchspflicht geknüpfte bedingte Erbeinsetzung der Enkel sittenwidrig und damit nichtig. Die Enkel sind unter Berücksichtigung des hypothetischen Willens des Erblassers auch ohne Erfüllung der Besuchspflicht Miterben.
Tenor
Der angefochtene Beschluss des Nachlassgerichts vom XX.XX.2017, mit dem das Nachlassgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins, durch den diese und der Beteiligte zu 2 als Miterben zu je ein halb ausgewiesen werden sollen, für festgestellt erachtet hat, wird aufgehoben.
Der notariell beurkundete Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 vom 27.10.2015 (Urkunde der Notarin A, Stadt1, Nr. ...) wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Nachlassgericht trägt die Beteiligte zu 1.
Das Verfahren der Beschwerde vor dem Senat ist gerichtkostenfrei.
Eine Erstattung der den Beteiligten gegebenenfalls entstandenen notwendigen Aufwendungen im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Nachlassgericht und im Verfahren der Beschwerde vor dem Senat findet nicht statt.
Der Geschäftswert für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Nachlassgericht und für das Verfahren der Beschwerde vor dem Senat wird jeweils auf 250.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerdeführer, die Enkel des Erblassers (nachfolgend nur: die Enkelkinder), wenden sich mit ihrer statthaften und auch im Übrigen zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde, die zunächst von der für sie bestellten Ergänzungspflegerin mit Schriftsatz vom 07.12.2017 (Bl. 139 d.A.) und sodann von ihrem Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 12.12.2017 (Bl. 142 ff d.A.) eingelegt worden ist, gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom XX.XX.2017 (Bl. 129 ff d.A.).
Mit diesem Beschluss hat das Nachlassgericht auf den im Tenor dieses Beschlusses des Senats bezeichneten Erbscheinsantrag (vergleiche Bl. 73 ff und 2. Ausfertigung Bl. 119 ff d. A.) der Beteiligten zu 1 das Vorliegen der Voraussetzungen zu dessen Erteilung für festgestellt erachtet. Danach sollen durch den Erbschein die Beteiligten zu 1 und 2 als Miterben des Erblassers zu je 1/2 ausgewiesen werden.
Bei der Beteiligten zu 1 handelt es sich um die letzte Ehefrau des Erblassers. Der Beteiligte zu 2 ist ein Sohn des Erblassers aus früherer Ehe. Bei den beschwerdeführenden Enkelkindern handelt es sich um die Kinder des weiteren Sohnes des Erblassers aus dieser früheren Ehe, B.
Dem Erbscheinsantrag liegt das von dem Erblasser handschriftlich geschriebene und von ihm und der Beteiligten zu 1 unterschriebene Testament vom 20.09.2014 zu Grunde, auf dessen Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 55 d. A.). Dieses hat auszugsweise folgenden Inhalt:
".... Sollte ich C vor meiner Frau versterben, bekommen meine Frau 25 % meines gesamten Geldvermögen und kümmert sich um Bestattung und Pflege der Grabstätte. Die Kosten hierfür werden von dem vorhandenen Geld verwendet. 25 % des verbleibenden Geldvermögens bekommt mein Sohn D.
Die restlichen 50 % des dann noch vorhandenen Geldes, bekommen, zu gleichen Teilen meine Enkel F u. E, aber nur dann, wenn sie mich regelmäßig d.h. mindestens 6-mal im Jahr besuchen.
Wenn das der Fall ist, muss das Nachlassgericht bis zu ihrem 21. Lebensjahr das Geld auf einem Sperrkonto verwahren.
Sollte das nicht der Fall sein d. h. mich keiner besuchen, werden die restlichen 50 % des Geldes zwischen meiner Frau G und meinem Sohn D aufgeteilt.
Mein Sohn B seine Frau H dürfen über den Erbnachlass nicht verfügen, und auch nach dem jetzigen Stand der Dinge nich zu meiner Beerdigung kommen...".
Das Nachlassgericht hat - in Übereinstimmung mit der Ansicht der Beteiligten zu 1 und entgegen der Ansicht der Beschwerde - seine angefochtene Entscheidung tragend darauf gestützt, dass der Erblasser seinen Willen eindeutig an die Bedingung geknüpft habe, dass seine Enkelkinder ihn jährlich sechsmal besuchen. Dies begründe inhaltlich keine Bedenken, es sei vielmehr ein legitimes Interesse des Erblassers gewesen, seine Enkelkinder regelmäßig zu sehen; dass dies ersichtlich von dem Willen des Vaters der Enkelkinder abhing, unterliege keinen Bedenken. Der Wille des Erblassers sei nicht erfüllt worden. Zwar sei weder das Kalenderjahr beendet gewesen noch habe zwischen der Testamentserrichtung und dem Tod des Erblassers ein Jahr gelegen. Gleichwohl müsse das Testament so ausgelegt werden, dass die vom Erblasser genannte Bedingung nicht eingetreten sei. Es sei nämlich davon auszugehen, dass es sich bei den zur Bedingung gemachten Besuchen um solche in regelmäßiger Abfolge handeln sollte, also etwa alle zwei Monate, um den Kontakt zwischen dem Erblasser und seinen Enkelkindern aufrechtzuerhalten. Es sei also auch nicht im Sinne ...