Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 19.12.1996; Aktenzeichen 3/6 O 129/96) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Verweisungsbeschluß der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. Dezember 1996 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Frankfurt am Main verwiesen wird.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf die Gebührenstufe bis 40.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
I. Der Kläger wurde im April 1993 mit Wirkung ab 01.06.1993 in den Vorstand der R. V. AG (inzwischen umbenannt in V. AG) berufen. Den Anstellungsvertrag schloß er mit der Beklagten, der Konzernmuttergesellschaft der V. AG. Auf den Inhalt dieses Vertrages wird Bezug genommen (Bl. 5 ff. d. A.).
Im November 1995 wurde der Kläger vom Aufsichtsrat der V. AG einstweilen beurlaubt. Seitdem finden Verhandlungen über eine vorzeitige Aufhebung des Dienstvertrages statt.
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung einer variablen Tantieme für das Jahr 1995 in Höhe von 110.000,00 DM.
Das Landgericht hat sich für sachlich unzuständig erklärt, weil der Kläger kein Organ der Beklagten, von dieser aber wirtschaftlich abhängig sei, und hat den Rechtsstreit „an das Arbeitsgericht” verwiesen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG), und sie ist rechtzeitig eingelegt worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Arbeitsgerichte für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig sind. Denn es handelt sich um eine Streitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (§ 2 Abs. 1 Ziffer 3 Arbeitsgerichtsgesetz).
Zwar gelten Organmitglieder juristischer Personen nicht als Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz), aber diese Vorschrift ist nur anwendbar, wenn der Rechtsstreit zwischen der juristischen Person und ihrem Organ geführt wird, nicht dagegen, wenn ein Organmitglied gegen ein Drittunternehmen klagt, mit dem es den Anstellungsvertrag geschlossen hat (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 5 Arbeitsgerichtsgesetz 1979). Danach ist § 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz im vorliegenden Fall nicht anwendbar, denn der Kläger ist kein Organ der Beklagten.
In einem solchen Fall kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darauf an, ob der Kläger im Verhältnis zum Anstellungsunternehmen unabhängiger Dienstnehmer, Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person ist. Der Kläger des hiesigen Rechtsstreits ist nach dem Inhalt des Anstellungsvertrages Arbeitnehmer der Beklagten. Denn in diesem Verhältnis ist er weisungsabhängig. Das ergibt sich insbesondere aus § 1 Ziffer 4 des Dienstvertrages, wonach es der Beklagten freisteht, den Kläger auch bei verbundenen Unternehmen und Beteiligungsgesellschaften der Beklagten, sowie im Rahmen des Zumutbaren auch an anderen Orten oder Stellen mit anderen Tätigkeiten zu beschäftigen.
Diese Vertragsklausel ist Grundlage für anderweitige Dienstpflichten des Klägers im Konzern der Beklagten, die mit seiner Organstellung bei der V. AG nichts zu tun haben. Zwar äußert der Kläger Bedenken, ob die Versetzungsklausel in Anbetracht seiner Vorstandstätigkeit bei der V. AG rechtlich überhaupt zu realisieren sei. Aber zum einen kommt es für die rechtliche Einordnung der Vertragsbeziehungen der Parteien nicht entscheidend darauf an, ob die Realisierung eines Weisungsrechts mehr oder weniger wahrscheinlich ist, und im übrigen zeigt gerade die hier erfolgte einstweilige Beurlaubung des Klägers von seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied (erst recht eine denkbare vorzeitige Abberufung des Klägers durch den Aufsichtsrat der V. AG), daß die Realisierung des Versetzungsvorbehalts nicht nur theoretische Bedeutung hat.
Auch die in der Literatur gegen die Anstellung eines Vorstandsmitglieds durch ein Drittunternehmen erhobenen Bedenken (vgl. insbesondere Mertens in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., § 84 Rnr. 51) spielen für die Rechtswegfrage keine Rolle. Denn der Rechtsweg hängt nicht davon ab, ob es zwischen den Pflichten gegenüber dem Anstellungsunternehmen und denjenigen als Vertretungsorgan Kollisionen geben kann und ob eine solche Konstellation noch aus anderen Gründen problematisch ist. Für den Rechtsweg ist vielmehr die inhaltliche Ausgestalltung des Anstellungsvertrages maßgebend, und es ist nicht ungewöhnlich, daß sich die Vertragsbeziehung zur Konzernobergesellschaft als Arbeitsverhältnis darstellt (vgl. Wiesner in Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4 Aktiengesellschaft, § 21 Rnr. 3; Richardi in Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht, § 6 Rnr. 14; Hueck, ZfA 1985/25, 36 für die GmbH).
Danach bedarf die Frage, ob der Kläger auch wirtschaftlich von der Beklagten abhängig ist, wie das Landgericht – unwidersprochen – angenommen hat, keiner weiteren Erörterung.
Der Beschluß des Landgerichts ...