Leitsatz (amtlich)
1. Für Ansprüche nach §§ 37b, c WpHG ist nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO der Sitz der Börse, an die die streitgegenständlichen Wertpapiere zum Handel zugelassen sind, als Erfolgsort anzusehen.
2. Zur Bindungswirkung eines unrichtigen Verweisungsbeschlusses nach § 281 Abs. 1 Satz 4 ZPO
Normenkette
EGV 44/2001 § 5 Nr. 3; ZPO §§ 32, 32b, 281 Abs. 1 S. 4; WpHG §§ 37b, 37c
Tenor
Das LG München I wird gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als das zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus §§ 37b, c WpHG und § 826 BGB wegen verspäteter beziehungsweise unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen in Zusammenhang mit der verzögerten Auslieferung des ... geltend. Die Beklagte hat ihren satzungsmäßigen Sitz in den Niederlanden; ihre "Headoffices" befinden sich in Stadt1 bei Stadt2 und in Stadt3.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage vor, die Beklagte habe Insiderinformationen zurückgehalten beziehungsweise unzutreffende Ad-hoc-Mitteilungen veröffentlicht. Dadurch sei der Kurswert der Aktien der Beklagten beeinflusst worden. Die Klägerin habe Aktien zu einem nicht dem tatsächlichen Marktwert entsprechenden zu hohen Kurs erworben.
Die Klägerin hat zunächst Klage beim LG Frankfurt/M. erhoben. Sie hält dieses Gericht nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO für zuständig. Der angerichtete Schaden bestehe in der nachteiligen Beeinflussung des Marktpreises, welcher sich am Marktort bilde, das heißt an dem Sitz der Börse, an der die Papiere des betreffenden Emittenten zum Handel zugelassen sind. Deshalb sei der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung am Marktort als Schädigungsort i.S.d. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO eröffnet.
Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des LG Frankfurt/M. gerügt. Sie behauptet, ihre Hauptverwaltung i.S.d. Art. 60 EuGVVO befinde sich in Stadt1 bei Stadt2 und in Stadt3. Von dort aus würden die Vorstände der Beklagten die Tagesgeschäfte führen. In Stadt1 seien u.a. das Rechnungswesen, ein Teil der Personal- und der zentralen Rechtsabteilung, die Abteilungen des Finanzvorstands und der Unternehmenskommunikation sowie ein Teil der Abteilung des Technikvorstandes angesiedelt. Sie ist der Auffassung, nach § 32b ZPO bestehe infolgedessen eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit in Stadt2 als Sitz des Emittenten.
Die Ausnahmeregelung für Auslandsgesellschaften nach § 32b Abs. 1 S. 2 ZPO greife nicht ein, da die Beklagte im Sinne dieser Vorschrift eine inländische Gesellschaft sei. Denn die drei Wohnsitz-Bestimmungen des Art. 60 EuGVVO stünden gleichrangig nebeneinander.
Auf Hinweis des LG Frankfurt/M., dass gegen die örtliche Zuständigkeit in Frankfurt/M. Bedenken bestünden, hat die Klägerin Verweisung an das LG München I beantragt.
Mit Beschluss vom 22.2.2010 hat das LG Frankfurt/M. sich für örtlich unzuständig erklärt und die Sache an das LG München I verwiesen (Bl. 666 ff. d.A.).
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Vorschrift des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO sei vorliegend nicht anwendbar, weil die Beklagte ihren Wohnsitz in Deutschland und damit nicht in einem anderen Mitgliedstaat habe. Dies folge aus Art. 60 I lit. b), c) EuGVVO, weil sich die Hauptverwaltung beziehungsweise die Hauptniederlassung der Beklagten in Stadt1 befinde. In Anbetracht dessen, dass sich wichtige Aufgabenbereiche der Beklagten in Stadt1 befänden und angesichts des öffentlichen Auftretens der Beklagten könne ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass dort ebenfalls ein wesentlicher Teil der unternehmerischen Entscheidungen der Beklagten getroffen werde. Daher sei die Annahme einer Hauptverwaltung, mindestens aber einer Hauptniederlassung gerechtfertigt, zumal die Beklagte allgemein als deutsch-französisches Unternehmen bekannt sei. Damit habe die Beklagte auch ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inland und sei als Inländerin zu behandeln.
Die örtliche Zuständigkeit sei somit nach den Vorschriften der ZPO zu bestimmen. Hieraus ergebe sich kein Gerichtsstand im Bezirk des LG Frankfurt/M. Eine unerlaubte Handlung (§ 32 ZPO) sei auch nach dem Vortrag der klagenden Partei nicht hier begangen worden. Bei einem Verstoß gegen die §§ 37b, c WpHG bestehe die unerlaubte Handlung allein im Unterlassen der Veröffentlichung einer Insiderinformation beziehungsweise in der Veröffentlichung einer unwahren Insiderinformationen. Der Schaden sei nicht Tatbestandsmerkmal, sondern lediglich Folge dieser Handlung.
Begangen sei die unerlaubte Handlung, sobald die Informationspflicht nicht beziehungsweise falsch erfüllt wurde. Dies sei ebenfalls nicht am Ort der Börse der Fall.
Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin habe diese schon nicht schlüssig dargetan; sie wäre im Übrigen auch nicht in Frankfurt begangen worden.
Das LG München I hat nach Anhörung der Parteien (Bl. 678 d.A.) mit Beschluss vom 6.5.2010 die Übernahme abgelehnt und die Sache zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem erkennenden OLG vorgelegt (Bl. 779 ff. d.A.).
Zur Begründung hat es ausgeführt, im vorliegenden Fall sei das LG Fr...