Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafbarkeit des "Cum-/Ex"-Leerverkaufsmodells auch als gewerbsmäßiger Bandenbetrug
Leitsatz (amtlich)
Das unter dem Namen "Cum-/Ex"-Leerverkaufsmodell bekannt gewordene Geschäftsmodell erweist sich als Betrugssystem, mit dem alleinigen Ziel, sich eine nur einmal einbehaltene Steuer zweimal auszahlen zu lassen. Das vorliegende komplexe Betrugssystem erfüllt neben einer Strafbarkeit nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 263 Abs. 5 StGB.
Normenkette
StGB § 263 Abs. 5; AO § 370 Abs. 3 Nr. 1; StPO § 33a
Tenor
Der Antrag des Angeklagten A vom 19. März 2021, das Verfahren gemäß § 33a StPO in die Lage vor Erlass des Beschlusses vom 09. März 2021 zurückzuversetzen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Senat hat mit Beschluss vom 09. März 2021, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die Beschwerde des Angeklagten A gegen den Haftbefehl des Landgerichts Wiesbaden vom 26. Oktober 2020 als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte A hat mit Schriftsatz vom 19. März 2021 Anhörungsrüge erhoben und beantragt, das Verfahren gemäß § 33a StPO in die Lage vor Erlass des Beschlusses vom 09. März 2021 zurückzuversetzen. Der Angeklagte rügt, dass der Senatsbeschluss in mehrfacher Weise gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verstoße, insbesondere die Rechtsprechung des BFH übergangen und keine Möglichkeit zu einer Stellungnahme zur Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes eingeräumt worden sei.
II.
Die Anhörungsrüge gemäß § 33a StPO mit dem Ziel, das Verfahren in die Lage vor Erlass der Entscheidung vom 09. März 2021 zurückzuversetzen, ist unbegründet.
Ein angeblicher Gehörsverstoß im Rahmen der Beschwerdeentscheidung durch den Senat liegt nicht vor. Der Angeklagte A hatte ausreichend Gelegenheit im Verfahren über die von ihm eingelegte Haftbeschwerde Stellung zu nehmen und hat davon in mehreren Stellungnahmen ausgiebig Gebrauch gemacht. Der Senat hat das Vorbringen des Angeklagten A umfänglich zur Kenntnis genommen und seinen Antrag mit Beschluss vom 09. März 2021 beschieden. Die nunmehr im Rahmen der Gehörsrüge vorgebrachten Ansichten erschöpfen sich in einer wiederholenden Zusammenstellung und Aufbereitung der von ihm bereits zuvor vertretenen. Neue Tatsachen, die zu einer Veränderung der zu beurteilenden Sachlage führen könnten, sind nicht vorgetragen. Dass der Senat den Rechtsansichten des Angeklagten nicht folgt, begründet keinen Gehörsverstoß.
Soweit der Angeklagte einwendet, der Senat habe sich nicht mit der einschlägigen Rechtsprechung des BFH zu sog. „Cum-/Ex“-Geschäften auseinandergesetzt, ist dies unzutreffend. Dass die Finanz- und Steuerbehörden und die Finanzgerichtsbarkeit in ihren Entscheidungen eine Strafwürdigkeit in vergleichbaren Konstellationen nicht festgestellt hätten, geht gänzlich fehl. Hierzu verhält sich bereits eingehend der Senatsbeschluss vom 09. März 2021. Soweit der Angeklagte erneut für seine falsche Behauptung die steuerrechtliche Betrachtungsweise des BFH (Urteil vom 15. Dezember 1999 - Az. I R 29/97 -) zu sog. „Cum-/Ex“-Geschäften mit Aktien, welche in der späteren Entscheidung des BFH (Urteil vom 16. April 2014 - Az. I R 2/12 -) in einer Bewertung möglichen wirtschaftlichen Eigentums bei Leerverkäufen mündet, anfügt, lagen den Entscheidungen gerade gänzlich andere Fallgestaltungen zugrunde, die hier vom Angeklagten in missbräuchlicher Weise verkürzt dargestellt werden. Der hier gegenständliche Komplex eines von Anfang an angelegten Betrugssystems mit dem alleinigen Ziel, sich eine nur einmal einbehaltende Steuer zweimal auszahlen zu lassen, ist vom BFH gerade nicht bestätigt worden.
Nach dem in der Anklageschrift vom 27. September 2017 und dem Haftbefehl vom 26. Oktober 2020 dargestellten ermittelten Sachverhalt ist der Angeklagte A nach Beurteilung des Senats - über die dortige rechtliche Einordnung der verwirklichten Straftatbestände der Steuerhinterziehung hinaus - dringend tatverdächtig von Januar 2006 bis 08. Oktober 2012 gewerbsmäßig als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrügereien verbunden hat, den deutschen Steuerzahler um ca. 113 Mio € betrogen und zumindest Teile der Tatbeute außer Landes gebracht zu haben. Damit ist neben einer Strafbarkeit nach dem Vergehenstatbestand des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO zudem die Tatbestandsmäßigkeit des Verbrechenstatbestands des § 263 Abs. 5 StGB erfüllt.
Diese rechtliche Bewertung ist auch entgegen der Behauptung des Angeklagten weder „neu“ noch „überraschend“.
Die Bewertung als banden- und gewerbsmäßiger Betrug ergibt sich zwanglos aus der über 900-seitigen Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft. Dass die Generalstaatsanwaltschaft die Anklage letztlich nur auf den Tatbestand der Steuerhinterziehung gestützt hat, hat den verfahrensökonomischen Vorteil, dass das Verfahren vor dem Hintergrund der Flucht des Angeklagten mit den übrigen Mitgliedern der Bande vereinfacht verhandelt werden kann.
Dieser Ansatz der Generalstaatsanwaltschaft ist insoweit auch nahel...