Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Ruhen der elterlichen Sorge eines in Strafhaft befindlichen Elternteils. erhebliche Bedeutung einer Reise nach Kolumbien für ein Kind
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass der Aufenthalt eines Elternteils in Strafhaft nicht ohne Weiteres ein Ruhen der elterlichen Sorge zur Folge hat. Eine Reise nach Kolumbien ist nicht nur eine Angelegenheit des täglichen Lebens, sondern vielmehr für das Kind von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1628 BGB.
Normenkette
BGB §§ 1628, 1674
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 19.05.2006; Aktenzeichen 35 F 70 38/05) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache an das AG zur Entscheidung über den Sorgerechtsantrag der Antragstellerin zurückverwiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin führt zur Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung der Sache. Das AG hat das Ruhen der elterlichen Sorge des Antragsgegners und daraus folgend die alleinige Ausübung der elterlichen Sorge für das Kind X. durch die Antragsstellerin festgestellt, weil sich der Antragsgegner damals in Strafhaft befand. Ferner ist den Eltern und allen dritten Personen ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland bzw. des Gebiets des Schengener Abkommens mit X. untersagt worden.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin und verfolgt ihren auf § 1671 BGB gestützten Sorgerechtsantrag weiter; ferner wendet sie sich gegen das generelle Verbot der Ausreise mit X.. Inzwischen war sie gemeinsam mit X. auf Grund einer Ausnahmegenehmigung zu Besuch in Kolumbien und ist wieder zurückgekehrt.
Der Antragsgegner, der ursprünglich die Zurückweisung der Beschwerde beantragt hat, ist am 26.7.2006 vorzeitig aus der Haft entlassen worden und hat einen inzwischen zum Beschwerdegericht weitergeleiteten Antrag an das AG gerichtet, das Wiederaufleben seines Sorgerechts festzustellen, was mit der vorliegenden Entscheidung gegenstandslos geworden ist.
Der Senat hat schon früher entschieden, dass der Aufenthalt eines Elternteils in Strafhaft nicht ohne Weiteres ein Ruhen der elterlichen Sorge zur Folge hat.
Im Beschluss vom 17.9.2001 (5 WF 137/01, veröffentlicht bei www. hefam. de) wird dazu ausgeführt:
"In Fällen eines längeren Auslandsaufenthaltes von Eltern ist bereits mehrfach entschieden, dass dies für die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge nicht ausreichend ist, wenn die Eltern des Kindes erreichbar sind (Vgl. OLG Frankfurt vom 19.4.2000, 4 UF 21/00, und vom 16.7.1999, 6 UF 177/99). Der Kindesvater ist sowohl telefonisch als auch brieflich erreichbar und kann in dringenden Fällen in der JVA X. aufgesucht werden. Sofern eilige schriftliche Erklärungen notwendig sein sollten, können diese ihm über die Anstaltsleitung per Fax zugeleitet und von ihm zurückgeleitet werden. Er kann zwar die tatsächliche Betreuung des Kindes nicht selbst wahrnehmen, aber Dritte mit dieser Aufgabe betrauen. Insbesondere wäre es ihm bei entsprechender Beratung durch das Jugendamt möglich, Anträge auf Erziehungshilfe zu stellen und so auf eine fördernde Erziehung des Kindes Einfluss zu nehmen. Sollte er sich nicht - oder nicht hinreichend am Wohl des Kindes orientiert - um dessen Belange kümmern, hat das Gericht geeignete Maßnahmen nach § 1666 BGB anzuordnen. Eine derartige Prüfung kann nicht durch die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1674 BGB umgangen werden (Vgl. OLG Hamm vom 13.2.1996, OLG Hamm v. 13.2.1996 - 15 W 434/95, FamRZ 1996, 1029)."
Nicht anders hat es sich hier hinsichtlich des Antragsgegners ungeachtet seiner zwischenzeitlichen Entlassung verhalten, so dass die Voraussetzungen des § 1674 BGB auch bereits vor seiner Haftentlassung nicht vorgelegen haben, und das AG deswegen auf den noch nicht beschiedenen Antrag der Antragstellerin weiter zu prüfen hat, ob ihr das Sorgerecht gem. § 1671 BGB ganz oder nur teilweise allein zu übertragen ist (vgl. dazu auch BVerfG, 1. Senat, FamRZ 2004, 354 ff. einerseits und FamRZ 2004, 1015 f. andererseits).
Der Senat hat jedoch auch das gegen beide Parteien und dritte Personen gerichtete generelle Ausreiseverbot mit X. aufgehoben, weil für einen so schwer wiegenden Eingriff in das Elternrecht schon angesichts der zur Zeit fort-bestehenden gemeinsamen elterlichen Sorge kein Anlass besteht, zumal die Antragstellerin von der besonders genehmigten Reise auch wieder zusammen mit X. aus Kolumbien zurückgekehrt ist und sich im Falle einer etwa beabsichtigten neuerlichen Reise mit dem Kind bei jedenfalls derzeit bestehender gemeinsamer elterlicher Sorge nicht auf eine Befugnis, darüber allein zu entscheiden, berufen könnte, weil eine solche Reise nicht nur eine Angelegenheit des täglichen Lebens, sondern vielmehr für das Kind von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1628 BGB ist (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, § 162...