Leitsatz (amtlich)

1. Zwar sieht § 1 Abs. 1 HWiG einen zeitlichen Zusammenhang zwischen mündlichen Verhandlungen und der Abgabe der Willenserklärung nicht vor; erforderlich ist aber, dass die abgegebene Erklärung ursächlich auf der Überrumpelung in der Wohnung beruht. Ein solcher Kausalzusammenhang kann nach den Grundsätzen des ersten Anscheins nicht angenommen werden, wenn zwischen dem Gespräch und der Erklärung ein längerer Zeitraum liegt. In diesem Fall sind vielmehr konkretere Darlegungen zur Fortdauer der Überrumpelung erforderlich.

2. Ein großer zeitlicher Abstand (hier: zwei Jahre) zwischen dem Gespräch am Arbeitsplatz und den Abschluss des Vertrages verschafft dem Verbraucher ausreichend Gelegenheit, über letzteren eine eigenständige, unbeeinflusste Entscheidung zu treffen.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2/22 O 402/03)

 

Tenor

In dem Rechtsstreit weist der Senat darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

 

Gründe

Die Berufung ist zwar zulässig, insb. an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache indes keine Aussicht auf Erfolg. Sie hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 ZPO).

Die Kläger schlossen am 4.10.1993 einen Bauträgervertrag über die Errichtung von zwei Doppelhaushälften ab. Dem waren Gespräche des Klägers zu 1), der als Bauleiter beim Bauträger beschäftigt ist, an seinem Arbeitsplatz vorausgegangen. Mit Vertrag vom 5.5.1994 erwarben sie das Grundstück. Am 31.6.1995 unterzeichneten sie zur Finanzierung dieses Vorhabens zwei Darlehensverträge mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten über 540.000 und 320.000 DM. Die Darlehen wurden über eine Grundschuld abgesichert und gegen die Abtretung der Rechte aus zwei Lebensversicherungen tilgungsfrei gestellt. Die Kläger haben die Darlehensverträge am 14.4.2003 nach dem Haustürwiderrufsgesetz widerrufen und begehren Freigabe der beiden Lebensversicherungsverträge.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger gegen dieses Urteil hat keine Aussicht auf Erfolg.

Die Frage, ob das LG Frankfurt/M. nach der Verweisung des LG Dessau zuständig war oder nicht, kann mit der Berufung nicht überprüft werden (§ 513 Abs. 2 ZPO).

Dahin stehen kann zunächst, ob das LG - wie von den Klägern behauptet - in der mündlichen Verhandlung tatsächlich erklärt hat, es bedürfe einer Beweisaufnahme zur Haustürsituation. Von den Klägern nicht vorgetragen und nicht ersichtlich ist, inwieweit dieser Verfahrensfehler zur Unrichtigkeit des Urteils geführt haben soll (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Unerheblich sind auch die von den Klägern gerügten Mängel im Sachverhalt. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, die mit der Berufung vorgetragenen Umstände könnten Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der landgerichtlichen Feststellungen begründen, ist nicht ersichtlich, inwieweit die aus der Sicht der Kläger vorzunehmenden Richtigstellungen erheblich sein sollen.

Dies gilt auch für die mit der Berufung neu vorgetragenen Tatsachen. Selbst wenn man zugunsten der Kläger davon ausgeht, dass die behauptete Verletzung der materiellen Prozessleitungspflicht (§ 139 ZPO) durch das erstinstanzliche Gericht die Möglichkeit solch neuen Vortrags eröffnet (§ 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), ist nicht ersichtlich, inwieweit dieser neue Sachverhalt entscheidungserheblich sein soll.

Die Rüge, das LG habe eine Rechtsverletzung begangen, indem es die Voraussetzungen eines Widerrufsrechts nach § 1 HTWG zu Unrecht abgelehnt habe, greift nicht durch. Die Kläger können den Widerruf der Darlehensverträge nicht auf die fast zwei Jahre zuvor geführten Gespräche am Arbeitsplatz des Klägers zu 1) stützen. Zwar sieht § 1 Abs. 1 HTWG einen zeitlichen Zusammenhang zwischen den mündlichen Verhandlungen und der Abgabe der Willenserklärung nicht vor, erforderlich ist aber, dass die abgegebene Erklärung ursächlich auf der Überrumpelung in der Wohnung beruht. Ein solcher Kausalzusammenhang ist vorliegend nicht erkennbar. Er kann nach den Grundsätzen des ersten Anscheins regelmäßig ohne nähere Darlegung angenommen werden, wenn zwischen dem Gespräch und der Abgabe der Erklärung ein nur kurzer, maximal wenige Tage betragender Zeitraum liegt. Ist dieser Zeitraum - wie hier - deutlich länger, bedarf die Kausaliät der Überrumpelung konkreter Darlegung im Einzelfall (Staudinger, BGB, § 1 HTWG Rz. 71 m.w.N.), an denen es vorliegend fehlt. Der große zeitliche Abstand zwischen dem Gespräch am Arbeitsplatz über den Bauträgervertrag und dem Abschluss des Darlehensvertrags verschaffte den Klägern ausreichend Gelegenheit, über letzteren eine eigenständige, unbeeinflusste Entscheidung zu treffen. Warum die durch den früheren Gespräche möglicherweise eingeschränkte Entschließungsfreiheit auch noch zwei Jahre später fortgedauert haben soll, ist nicht ersichtlich. Dies entspricht der ständigen...

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