Entscheidungsstichwort (Thema)
Sofortige Beschwerde gegen die Aussetzung
Leitsatz (amtlich)
Die auf die Vorlage durch ein anderes Landgericht gestützte Aussetzung durch das erkennende Landgericht hindert die sofortige Beschwerde nicht, weil im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde das berufene Beschwerdegericht darüber zu befinden hat, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Aussetzung infolge der Vorgreiflichkeit einer Entscheidung in einem anderen Verfahren vorliegen und das aussetzende Gericht von dem ihm obliegenden Ermessen (sachgerecht) Gebrauch gemacht und den Beschleunigungsbelangen der Prozessparteien hinreichend Rechnung getragen hat. Diese verfahrensimmanente Kontrolle ist bei einer Aussetzung nach Vorlage durch das aussetzende Gericht gewährleistet, ansonsten nicht.
Normenkette
ZPO §§ 148, 252
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 09.07.2023; Aktenzeichen 2-10 O 100/23) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird in Bezug auf die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Aussetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO durch das Landgericht (Einzelrichterin). Hintergrund der Aussetzungsentscheidung sind die Vorlagefragen zum Europäischen Gerichtshof durch das Landgericht Ravensburg, die bei dem Gerichtshof gegenwärtig unter den Az C-38/21, C-47/21 und C-233/21 geführt werden. Der Generalanwalt hat sich am 16. Februar 2023 hierzu positioniert (vgl. VuR 2023, 221ff).
Vorliegend widerrief der Kläger seine Vertragserklärung zu einem am 16. September 2021 geschlossenen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung (ohne Andienungsrecht oder Übernahmepflicht des Klägers) mit Schreiben vom 14. November 2022. Der Vertragsschluss erfolgte über das Autohaus X in Stadt1. Die Finanzierungsinitiative ging von dem Autohaus aus. Im Beisein des Klägers wurden mittels Zugriffs auf das POS-System der Beklagten die Daten zum Fahrzeug, zur gewünschten Finanzierungsform und Konstellation und die zur Bonitätsprüfung nötigen Daten erfasst.
Die Beklagte vertritt mit der Beschwerde die Auffassung, eine Aussetzung durch das Instanzgericht sei nicht gerechtfertigt, das Nichtvorliegen eines Fernabsatzgeschäfts sei geklärt, unter anderem durch den hier zur Entscheidung berufenen Senat in 17 U 80/21. Die Stellungnahme des Generalanwalts in den vor dem Europäischen Gerichtshof geführten Verfahren überantworte die Frage nach dem Fernabsatzgeschäft bei Einbindung eines Händlers als Vertragsvermittler dem jeweiligen nationalen Recht. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu der Aussetzungsthematik seien letztlich nicht zielführend.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 252 ZPO.
Soweit die Beschwerdeberechtigung infolge der Entscheidungsprärogative des Rechtsmittelgerichts oder des Europäischen Gerichtshofs im Kontext einer verfahrensimmanenten Vorlage gemäß Art. 267 AEUV verneint/diskutiert wird (vgl. anschaulich Jaspersen/BeckOK ZPO, Stand 1. Juli 2023, Rn. 4, § 252 ZPO mwN, beck-online), steht dies der Zulässigkeit der Beschwerde hier nicht entgegen, weil das Landgericht sich zur Begründung der Aussetzung auf die externe, also nicht selbst bewirkte Vorlage durch das Landgericht Ravensburg bezieht.
Die auf die Vorlage durch das Landgericht Ravensburg gestützte Aussetzung durch das Landgericht hindert die sofortige Beschwerde nicht, weil im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde das berufene Beschwerdegericht darüber zu befinden hat, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Aussetzung infolge der Vorgreiflichkeit einer Entscheidung in einem anderen Verfahren vorliegen und das aussetzende Gericht von dem ihm obliegenden Ermessen (sachgerecht) Gebrauch gemacht und den Beschleunigungsbelangen der Prozessparteien hinreichend Rechnung getragen hat. Diese verfahrensimmanente Kontrolle ist bei einer Aussetzung nach Vorlage durch das aussetzende Gericht gewährleistet (vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 8. August 2023 - VIa ZB 13/21 - Rn. 11, juris). Ansonsten - wie hier - nicht (so zutr. OLG Braunschweig, Beschluss vom 14. Februar 2022 - 4 W 16/21 -, Rn. 38ff, juris, mwN; a.A. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Oktober 2014 - 4 W 33/14 -, Rn. 18ff, juris, mwN).
Die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat das Verfahren zu Recht in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ausgesetzt.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit die Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweisen) präjudiziellen Bedeutung voraus, dass also di...