Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendigkeit der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift für Eilantrag

 

Normenkette

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 09.02.2024; Aktenzeichen 2-03 O 73/24)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9.2.2024, 2-03 O 73/24, wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten der sofortigen Beschwerde zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 30.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist Strafgefangener und im Rahmen des offenen Vollzugs Ende letzten Jahres (2023) aus dem Freigang nicht wieder in die JVA zurückgehrt. Er ist seitdem flüchtig.

Die Antragsgegnerin hat in zwei Artikeln vom XX.XX.2024 und vom XX.XX.2024 unter den Überschriften "(...)-Knacki aus JVA Stadt1 abgehauen!" und "Beim Freigang aus JVA abgehauen Gefängnis wusste, dass (...)-Knacki fliehen wollte ... aber niemand reagierte!" hierüber berichtet und dabei Bildnisse des Antragstellers verbreitet.

Der Antragsteller verlangt im einstweiligen Verfügungsverfahren die Unterlassung der Veröffentlichung seines Bildnisses und die Unterlassung von Äußerungen, nach denen er Drogengeschäfte aus dem Knast heraus bzw. bei seinen Freigängen abgewickelt habe. Das Landgericht hat den durch einen Rechtsanwalt gestellten Antrag als unzulässig zurückgewiesen, weil die von dem Antragsteller allein angegebene Adresse der JVA keine Gewähr für eine ernsthafte Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Zustellung biete.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit welcher er weiterhin den Erlass einer Untersagungsverfügung begehrt.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass das von dem Antragsteller angestrengte Eilverfahren nicht zulässig ist.

a. Zwar schreibt § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers nicht ausdrücklich vor.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist diese aber auch, wenn der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird, zwingendes Erfordernis für eine ordnungsgemäße Klageerhebung, und zwar jedenfalls dann, wenn die Angabe ohne Weiteres möglich ist. Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers dient zunächst seiner Identifizierung, welche hier nicht im Zweifel steht. Darüber hinaus dokumentiert der Kläger durch die Angabe der ladungsfähigen Anschrift aber zugleich die Ernsthaftigkeit seines Begehrens wie auch seine Bereitschaft, sich etwaiger mit dem Betreiben des Prozesses verbundener nachteiliger Folgen zu stellen, wie insbesondere seiner Kostentragungspflicht im Falle des Unterliegens, und damit den Prozess nicht aus dem Verborgenen heraus zu führen [vgl. BGH Urt. v. 9.12.1987 - IVb ZR 4/87 - Rn. 8; Urt. v. 6.4.2022 - VIII ZR 262/20]. Dieses Erfordernis gilt grundsätzlich auch im Eilverfahren nach §§ 916 ff, 935 ff ZPO [OLG Ffm. NJW 1992, 1178 - Rn. 9; Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl., § 253 Rn. 24 mwN].

b. Bei der in der Antragsschrift genannten Adresse "JVA Stadt1", unter welcher der Antragsteller auch gemeldet ist, handelt es sich nicht um dessen ladungsfähige Anschrift.

Zutreffend weist die Beschwerde zunächst darauf hin, dass die Angabe einer Anschrift in der Justizvollzugsanstalt ausreichen kann. Allerdings ist der Antragsteller im Rahmen des offenen Vollzugs Ende des letzten Jahres nicht wieder dorthin zurückgekehrt, obwohl er ausweislich des von ihm selbst angeführten Artikels der Antragsgegnerin vom XX.XX.2024 noch knapp ein Jahr "abzusitzen" gehabt hätte, sondern ist in die Türkei (Stadt2) geflohen und wollte von dort weiter nach Stadt3 (Vereinigte Arabische Emirate). Hierdurch hat der Antragsteller nach außen hin seinen Willen kundgetan, seinen Aufenthalt in der JVA Stadt1 dauerhaft aufzugeben.

c. Die vom Antragsteller unterbreiteten Gründe rechtfertigen aus Sicht des Senats auch kein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse, um ausnahmsweise auf die Mitteilung seiner ladungsfähigen Anschrift zu verzichten. Zwar hat der BFH ein solches angenommen, wenn der Kläger sich durch Nennung seiner gegenwärtigen Anschrift der konkreten Gefahr der Verhaftung aussetzte, und seine Identität feststeht und die Möglichkeit der Zustellung durch einen Zustellungs- oder Prozessbevollmächtigten sichergestellt ist [Urt. v. 19.10.2000 - IV R 25/00]. Dieser Ansicht vermag der Senat für den hier gegebenen Sachverhalt nicht zu folgen.

aa. Soweit der BFH der Beitreibung der Gerichtskosten nur eine untergeordnete Bedeutung beimisst [Rn. 20], gilt dies nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht im Zivilprozess. Anders, als dies der der BFH für das finanzgerichtliche Verfahren offenbar erwägt [Rn. 17], dient im Zivilprozess die Klägeranschrift auch der Sicherstellung, dass sich der Kläger im Falle des Unterliegens nicht seiner Kostenverpflichtung entzieht und seine Erreichbarkeit damit von seinem Belieben abhängt. Für das Gericht, dass im Eilverfahren keinen Kosten...

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