Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinserteilung. Erbunwürdigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage, wer an die Stelle des für erbunwürdig erklärten letztversterbenden Ehegatten bei gemeinschaftlichem Testament tritt.

 

Normenkette

BGB § 2344

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Beschluss vom 17.10.1994; Aktenzeichen 3 I 381/94)

AG Kassel (Entscheidung vom 18.08.1993; Aktenzeichen 8 VI A 28/93)

 

Tenor

Die weiteren Beschwerden werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Amtsgericht – Nachlaßgericht – Kassel angewiesen wird, dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3) vom 18. August 1993 zu entsprechen.

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben die der Beteiligten zu 3) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert für die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) beträgt 230.000,– DM, derjenige für die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) 115.000,– DM.

 

Gründe

In den Mittagsstunden des 28.4.1993 verstarb die Erblasserin im Alter von 56 Jahren an zwei Schüssen in den Kopf, die ihr Ehemann, mit dem sie seit 1966 verheiratet war, mit einer Faustfeuerwaffe abgegeben hatte. Kurz danach verstarb auch dieser, nachdem er auch sich eine Kugel in den Kopf geschossen hatte. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Der Ehemann der Erblasserin hatte aus seiner ersten Ehe, die 1947 geschlossen und 1965 geschieden worden war, eine Tochter, die im Jahre 1948 geborene Beteiligte zu 3). Der Nachlaß der Erblasserin besteht aus Bankguthaben, Wertpapieren und einem mit einem Komfort-Einfamilienhaus bebauten Grundstück. Der Ehemann der Erblasserin hatte dieser seinen halben Miteigentumsanteil an dem Grundstück Ende des Jahres 1992 übertragen. Durch rechtskräftiges Versäumnisurteil des Landgerichts Kassel vom 11.5.1994 – 4 O 1821/93 – wurde er hinsichtlich der Erblasserin für erbunwürdig erklärt.

Die Ehegatten hatten am 22.9.1986 formgerecht ein privatschriftliches Testament errichtet, das wie folgt lautet:

„1.) Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein.

2.) Nach dem Tode des Überlebenden von uns soll unser beiderseitiger Nachlaß an die Tochter von aus vorangegangener Ehe, Adolph, geb. am 19.2.1948, z. Zt. wohnhaft in fallen.

3.) Sollte … entgegen unserem hier niedergelegten Willen für den Fall, daß der Vater Adolph zuerst verstirbt, ihren Erbanspruch gegenüber der Stiefmutter … geltend machen, soll sie nur den Pflichtteil aus dem Nachlaß von erhalten.

Helga Adolph kann dann unter Lebenden und von Todes wegen über ihr Vermögen frei verfügen.”

Die gesetzlichen Erben der Erblasserin, deren Eltern vorverstorben sind, sind die Geschwister bzw. Geschwisterkinder der Eltern. Die Mutter der Erblasserin hatte zwei Schwestern und einen Bruder, die auch vorverstorben sind und an deren Stelle ihre Kinder, die Beteiligten zu 4) bis 8), getreten sind. Der Vater der Erblasserin hatte eine Schwester – die Beteiligte zu 1) – und einen vor der Erblasserin verstorbenen Bruder, an dessen Stelle seine beiden Kinder – die Beteiligten zu 2) und 9) – getreten sind.

Die Beteiligte zu 3) hat unter dem 18.8.1993 einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein beantragt mit der Begründung, die Erbunwürdigkeit ihres Vaters habe zur Folge, daß sie auf Grund des gemeinschaftlichen Testaments vom 22.9.1986 testamentarische Ersatzerbin an Stelle ihres Vaters sei. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind dem Erbscheinsantrag entgegengetreten. Sie haben die Auffassung vertreten, es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten, weil dem gemeinschaftlichen Testament vom 22.9.1986 nicht entnommen werden könne, daß die Erblasserin die Beteiligte zu 3) als Ersatzerbin ihres Vaters eingesetzt habe.

Das Nachlaßgericht hat durch Beschluß vom 26.7.1994 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beteiligte zu 3) sei in dem gemeinschaftlichen Testament vom 22.9.1986 nicht als Nacherbin des Erstversterbenden, sondern als Schlußerbin des Längstlebenden eingesetzt worden, so daß sie nicht nach § 2102 BGB Ersatzerbin für ihren Vater sei. Auch eine Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments führe nicht zu des Ergebnis, die Erblasserin habe für den Fall, daß ihr Ehemann wegen Erbunfähigkeit ausfällt, die Beteiligte zu 3) als Ersatzerbin eingesetzt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Erblasserin den mutmaßlichen Willen gehabt habe, die Beteiligte zu 3) auch dann als Ersatzerbin für ihren Vater einzusetzen, wenn sie gewußt hätte, dieser würde sie erschießen und dann für erbunwürdig erklärt. Folglich sei die gesetzliche Erbfolge eingetreten. Das Landgericht hat auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3), der das Nachlaßgericht nicht abgeholfen hat, den Beschluß des Amtsgerichts aufgehoben. Seine Entscheidung hat es damit begründet, die Beteiligte zu 3) habe die Erblasserin als Ersatzerbin anstelle ihres Vaters beerbt, und zwar gleichviel, ob sie in dem Testament vom 22.9.1986 als Nacherbin des Erstverstorbenen oder als Schlußerbin des Längstlebenden eingesetzt worden sei. Hiergegen richten...

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