Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrssicherungspflicht auf eigenem Grundstück
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist grundsätzlich nicht die Aufgabe des Grundstückseigentümers, einen untergeordneten Zuweg zu der Terrasse ihres Wohnhauses völlig gefahrlos gegen alle erdenklichen von dem Weg augehenden Risiken für die Nutzer auszugestalten.
2. Kann der Nutzer dieses Zuwegs bei zweckgerichteter Benutzung unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt etwaige Sturzgefahren abwenden, bestehen für den Grundstückseigentümer keine weitergehenden Pflichten.
Normenkette
BGB §§ 253, 823 Abs. 1-2; StGB § 229
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 19.05.2022; Aktenzeichen 2-06 O 43/22) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Eine Kostenerstattung erfolgt nicht.
Gründe
I. Die Antragstellerin beabsichtigt, mit der Klage materiellen und immateriellen Schadensersatz gegen die Antragsgegnerin geltend zu machen. Das Landgericht hat der Antragstellerin mit der angefochtenen Entscheidung die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt, weil die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg biete. Hiergegen wendet sich das Rechtsmittel.
Die Antragstellerin hat behauptet, sie sei am 5. Februar 2021, gegen 18:00, nach dem Verlassen der Wohnung der Antragsgegnerin auf dem Steinweg, der parallel zu der angrenzenden und von der Antragstellerin gemieteten Garage entlang des Hauses der Antragsgegnerin verläuft und der über eine offene Tür von der Garage aus erreichbar ist (Skizze, Bl. 76 d. A.), auf der mit Bodenfliesen versehenen Fläche des nassen Weges (Lichtbilder, Bl. 95-97 d. A.) bei Dunkelheit und ohne dass der Weg beleuchtet worden wäre, gestürzt und habe sich dabei eine Scham-, Sitz- und Kreuzbeinfraktur zugezogen, die operativ habe versorgt werden müssen, was zu erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen geführt habe, so dass ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000,00 EUR gerechtfertigt sei. Darüber hinaus seien ihr Verdienstausfall, ein Haushaltsführungsschaden und weitere materielle Aufwendungen entstanden.
Sie habe sich 5. Februar 2021 auf Bitten der Pflegekraft der Antragsgegnerin bereit bei Dunkelheit aus der Garage über den Steinweg und über die Terrasse in deren Wohnung begeben, weil die Antragsgegnerin mit ihr habe reden wollen. Der Weg werde von Pflegekräften und Angehörigen der Antragsgegnerin benutzt, sie habe ihn zwar gekannt, diesen aber zuvor noch nicht genutzt. Die Straßenlaterne habe den Steinweg nicht ausgeleuchtet. Der von ihr benutzte Weg sei mit Blättern, Ästen und Moos bedeckt und regennass und schmierig gewesen. Diesen Weg habe sie nach Verlassen der Wohnung der Antragstellerin dann erneut genutzt. Dabei sei es beim Belaufen des gefliesten Teils des Wegs zu dem Sturz gekommen. Die Antragstellerin hat gemeint, aus diesen Umständen eine Verkehrssicherungspflicht der Antragsgegnerin ableiten zu können, wonach diese verpflichtet gewesen sei, den Weg so zu unterhalten, dass er ohne Sturzgefahr habe genutzt werden können.
Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt, weil die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg biete.
Die Antragsgegnerin habe keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den untergeordneten Weg auf ihrem Grundstück angesichts der Begleitumstände des Sturzes und der Belegenheit der von der Antragstellerin genutzten Garage zu reinigen.
Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde mit der die Antragstellerin die mit dem Klageentwurf dargelegten Umstände wiederholt und vertieft.
Die Antragsgegnerin verteidigt die Bewertung in der angefochtenen Entscheidung. Sie stellt darüber hinaus den Sturz der Antragstellerin in Abrede und behauptet, der Weg sei beleuchtet gewesen.
II. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist zurückzuweisen.
Das Landgericht hat zu Recht eine Verkehrssicherungspflicht und damit einen Schadensersatzanspruch der Antragsgegnerin gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 253, 249 BGB; 229 StGB, den auf ihrem Grundstück verlaufenden Gehweg, auf dem die Antragstellerin behauptet, gestürzt zu sein, vor Sturzgefahren abzusichern, verneint.
Grundsätzlich trifft die Antragsgegnerin eine Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf ihr Grundstück und das in ihrem Eigentum stehende Gebäude. Sie muss auch damit rechnen, dass Fußgänger diesen Weg benutzen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2007...