Leitsatz (amtlich)
1. Auch nach dem Erlass und dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Aktionärsrichtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 11.7.2007 ist die Auskunftspflicht weiterhin auf solche Auskünfte beschränkt, die zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sind.
2. Aus § 131 Abs. 5 AktG ergibt sich für den beurkundenden Notar im Fall eines entsprechenden Protokollierungsverlangens die Pflicht in die Niederschrift über die Verhandlung aufzunehmen, dass die Frage gestellt und die Antwort verweigert wurde.
Normenkette
AktG § 131 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 17.05.2011; Aktenzeichen 3-5 O 68/10) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 2) gegen den Beschluss der 5. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. vom 17.5.2011 wird zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss abgeändert und der Antrag auf Auskunftserteilung, soweit er nicht für erledigt erklärt worden ist, zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten des Verfahrens erster Instanz haben die Antragsteller jeweils 45 % und die Antragsgegnerin 10 % zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens entfallen auf die Antragstellerin zu 1) 25 % und auf die Antragstellerin zu 2) 75 %. Die Antragsgegnerin trägt keine Gerichtskosten. Ferner hat die Antragstellerin zu 2) 50 % der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin in zweiter Instanz zu tragen. Im Übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten auch in zweiter Instanz nicht statt.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Antragstellerin zu 2), soweit es die Zurückweisung ihrer Beschwerde anbelangt, zugelassen.
Der Geschäftswert des Verfahrens erster Instanz wird auf 20.000 EUR, derjenige zweiter Instanz auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der mittlerweile verstorbene, ehemalige Antragsteller zu 1) und dessen Ehefrau, die Antragstellerin zu 2), waren Aktionäre der Antragsgegnerin, einer deutschen Großbank in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Am 27.5.2010 fand eine ordentliche Hauptversammlung der Antragsgegnerin statt. Auf dieser Hauptversammlung waren beide Antragsteller persönlich nicht zugegen, wurden allerdings - dem Antragstellervorbringen zufolge - vom jetzigen Verfahrensbevollmächtigten sowie von dem Zeugen Z1 vertreten. Gegenstand der Tagesordnung waren unter TOP 3 und TOP 4 die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats. Im Zuge einer Generaldebatte stellten die Bevollmächtigten der Antragsteller eine Reihe von Fragen, darunter zumindest die hier noch streitgegenständlichen Fragen I. 4, II. 3 und II. 4, wobei zwischen den Beteiligten streitig ist, ob darüber hinaus der Zeuge Z1 die weiterhin streitgegenständliche Frage I. 2 anbrachte.
Die Antragsteller hielten die ihnen erteilten Antworten für unzureichend. Deswegen haben sie u.a. hinsichtlich der vorgenannten vier Fragen ein Auskunftserzwingungsverfahren vor dem LG Frankfurt/M. eingeleitet. Das LG hat mit der angegriffenen Entscheidung, auf die ergänzend Bezug genommen wird, dem Antrag mit Blick auf den ersten Teil der Frage I. 2 sowie in Betreff auf die Frage I. 4 stattgegeben und im Übrigen den Antrag abgewiesen. Zugleich hat es in Bezug auf die hier streitgegenständlichen Fragen die Beschwerde zugelassen.
Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, aus dem Hauptversammlungsprotokoll ergebe sich, dass die Frage I. 2 während der Hauptversammlung vom Bevollmächtigten der Antragsteller, dem Zeugen Z1, gestellt worden sei. Unstreitig sei die Frage jedoch nicht beantwortet worden, wobei ihr erster Teil aus Sicht eines durchschnittlichen Aktionärs für dessen Entscheidung über die Entlastung der Organe der Antragsgegnerin erforderlich gewesen sei. Ebenso beurteilungsrelevant sei die Frage I. 4 gewesen.
Es habe die Möglichkeit bestanden, dass auf Veranlassung des Vorstandes der Antragsgegnerin überhöhte Abfindungen bzw. Schweigegelder bezahlt worden seien.
Die Frage II. 3 sei hingegen hinreichend beantwortet worden. Von der Frage II. 4 sei die inhaltliche Arbeit des Risikoausschusses des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin betroffen. Die Arbeit im Aufsichtsrat und in dessen Ausschüssen sei dem Auskunftsrecht der Aktionäre entzogen. Mit Blick auf den letzten Teil der Frage II. 4 könne sich die Antragsgegnerin zudem erfolgreich auf die Wahrung des Bankgeheimnisses berufen.
Gegen die vorgenannte Entscheidung richten sich die wechselseitig eingelegten Beschwerden der Antragstellerin zu 2) und der Antragsgegnerin, von denen das LG der Beschwerde der Antragsgegnerin durch Beschluss vom 21.6.2011 (Bl. 446 f. d.A.) vor Eingang der Beschwerdebegründung nicht abgeholfen und stattdessen noch vor Eingang der Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin, aber nach Eingang der Beschwerde der Antragsteller ohne Fassung eines weiteren Nichtabhilfebeschlusses das gesamte Verfahren dem OLG zur En...