Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Begriff des "Vertretens" i.S.v. § 53 ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. Der Umstand, dass ein wirksam geladener Beteiligter ohne hinreichende Entschuldigung nicht zum Termin erschienen ist, hindert die Annahme einer "mündlichen Erörterung" i.S.d. § 32 Abs. 1 S. 1, § 57 S. 2 Nr. 4 FamFG nicht (Fortführung von OLG Frankfurt FamRZ 2013, 316 (317)).
2. Beschränkt sich der Betreuer auf die Abgabe von Stellungnahmen, ohne selbst Anträge zu stellen, liegt kein "Vertreten" i.S.d. § 53 ZPO vor. Der Betreute bleibt in dieser Konstellation in seiner Verfahrensfähigkeit unbeschränkt.
3. Ist der Betreute mangels Vertretung i.S.d. § 9 Abs. 5 FamFG i.V.m. § 53 ZPO durch den Betreuer in seiner Verfahrensfähigkeit nicht beschränkt, kann der Betreute wirksam Rechtsmittel einlegen.
Normenkette
ZPO § 53; FamFG § 9 Abs. 5, § 32 Abs. 1 S. 1, § 57 S 2 Nr. 4
Verfahrensgang
AG Offenbach (Beschluss vom 19.11.2013; Aktenzeichen 319 F 1867/13) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Gegenstand der Beschwerde ist eine im Wege der einstweiligen Anordnung erfolgte Wohnungszuweisung nach § 1361b BGB.
Der Beschwerdeführer ist mit der Antragstellerin verheiratet; aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Der Beschwerdeführer leidet seit 1995 an einer progredienten schizophrenen Erkrankung mit paranoiden Zügen und religiösen Wahnvorstellungen. Er steht gem. § 1896 BGB unter Betreuung, die insbesondere den Aufgabenkreis "Wohnungsangelegenheiten" umfasst. In der Vergangenheit wurde der Beschwerdeführer mehrere Male stationär behandelt. Aufgrund gerichtlicher Anordnungen nach § 1906 BGB befand er sich zuletzt zwischen ... 2012 und ... 2013 sowie zwischen ... 2013 und ... 2013 in geschlossener psychiatrischer Unterbringung.
Das AG hat die eheliche Wohnung mit dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragstellerin zur alleinigen Benutzung zugewiesen (Bl. 40 ff. d.A.). Sie habe unwidersprochen vorgetragen, dass sie von dem Beschwerdeführer vorsätzlich und widerrechtlich bedroht worden sei und dass aufgrund der fehlenden Krankheits- und darauf aufbauend fehlenden Behandlungseinsicht des Beschwerdeführers mit weiteren Bedrohungen oder gar mit Verletzungen zu Lasten ihrer Person zu rechnen sei, wenn sie die eheliche Wohnung weiterhin gemeinsam nutzten. Aufgrund dieses Beschlusses wohnt der Beschwerdeführer seit seiner jüngsten Entlassung aus der Psychiatrie bei einem Freund.
Mit der Beschwerde begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses. Er macht geltend, dass er seine Ehefrau nie bedroht habe und nie bedrohen werde. Zudem müssten ihm seine in der Wohnung befindlichen Wertsachen erhalten bleiben, die er gegenwärtig nicht abholen könne. Die Antragstellerin ist seinem Vorbringen entgegengetreten. Zwar könne der Beschwerdeführer seine Wertsachen jederzeit abholen lassen, doch sei ihr wegen der Bedrohungen durch den Beschwerdeführer die Wohnung zur alleinigen Nutzung zu überlassen.
Der Betreuer des Beschwerdeführers hat im Verfahren keine Anträge gestellt, sondern lediglich allgemein zum Sachstand Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf seine Stellungnahmen Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten des von ihm vorgelegten psychiatrischen Sachverständigengutachtens vom 16.10.2013 wird auf die Ausführungen im Gutachten Bezug genommen.
Die nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG fristgemäß erhobene Beschwerde ist gem. § 111 Nr. 5, § 200 Abs. 1 Nr. 1, § 57 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, §§ 58 ff. FamFG zulässig. Vor dem AG hat eine mündliche Erörterung stattgefunden. Zu diesem Termin wurde nicht nur der Betreuer des Beschwerdeführers, sondern auch der Beschwerdeführer selbst geladen. Die Ladung wurde ihm sowohl per Fax als auch per Post an seinen Aufenthaltsort in der Klinik übermittelt. Die Annahme dieser Ladung hat der Beschwerdeführer nicht verweigert; seine Weigerung bezog sich lediglich auf die an den Betreuer selbst und gerade nicht an ihn gerichtete Ladung. Der Beschwerdeführer hat nicht vorgebracht, dass er an einem Erscheinen - gegebenenfalls in Begleitung von Klinikpersonal - gehindert war. Der Umstand, dass der solchermaßen wirksam geladene Beschwerdeführer ohne hinreichende Entschuldigung nicht zum Termin erschienen ist, hindert die Annahme einer "mündlichen Erörterung" i.S.d. § 32 Abs. 1 S. 1 FamFG sowie des § 57 S. 2 Nr. 5 FamFG nicht (Heilmann, NJW 2012, 887 (890)). Andernfalls wäre es den Beteiligten möglich, ein Verfahren in der ersten Instanz durch bloßes Nichterscheinen zu blockieren (OLG Frankfurt FamRZ 2013, 316 (317)).
Der Beschwerdeführer war berechtigt, selbst Beschwerde zu erheben.
Der Beschwerdeführer ist geschäftsfähig; die Anordnung der Betreuung als solche hat auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten keine unmittelbaren Auswirkungen (OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 1995, 260 (261); Lindacher in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl. 2013, ...