Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-17 O 209/20)

 

Tenor

Es wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

 

Gründe

Nach Vornahme der gemäß § 522 Abs. 1 und 2 ZPO gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.

I. Die Voraussetzungen einer Haftung gemäß § 826 BGB sind höchstrichterlich abstrakt seit langem geklärt. Ob diese im konkreten Fall für eine Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegen, hängt von den in tatrichterlicher Würdigung des jeweiligen Sachvortrags zu treffenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab und kann nicht Gegenstand einer grundsätzlichen Klärung durch den Bundesgerichtshof sein (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 179/21, BeckRS 2021, 38634 Rn. 9). Selbiges gilt für die Voraussetzungen einer Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV (BGH, Urteile vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22, juris; Urteil vom 10. Juli 2023 - VIa ZR 1119/22, juris).

II. Im Übrigen ist Folgendes auszuführen:

1. Nach dem vom Erstgericht insoweit als unstreitig festgestellten Sachverhalt erwarb die Klagepartei am 17.11.2015 einen VW Golf zum Preis vom 33.200,- EUR. Der Pkw ist mit einem von der Beklagten hergestellten Motor mit der Bezeichnung EA 288 Euro 6 ausgestattet. Einen Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamts gibt es für die streitgegenständlichen Fahrzeugtypen und den dort verbauten Motorentyp nicht.

Der Stickstoffausstoß der Fahrzeuge wird durch ein Abgasrückführungssystem (AGR) geregelt; zusätzlich ist ein SCR-Katalysator Stickstoffspeicherkatalysator verbaut. Die Abgasrückführung wird temperaturabhängig gesteuert, was dazu führt, dass die Abgasreinigung bei gewissen Temperaturen reduziert wird (sog. Thermofenster). Die Bedatung des Thermofensters ist zwischen den Parteien streitig.

2. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

a) Der Klagepartei ist es nicht gelungen, das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung in ihrem Fahrzeug in prozessual erheblicher Weise darzulegen.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen (siehe: BGH, Beschluss vom 25. Juli 2022 - VIa ZR 622/21, juris Rn. 10 m.w.N.). Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat (BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 21 m.w.N.). Ein auf Vermutungen gestützter Sachvortrag einer Partei ist allerdings dann unbeachtlich, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 22 m.w.N.). Zwar ist bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne Zurückhaltung geboten; bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte wird sie allerdings in der Regel vorliegen (BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 22 m.w.N.).

Soweit die Klagepartei der Bewertung ihres Vortrags als prozessual beachtlich die in dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19 angewandten Maßstäbe zugrunde legt, ist darauf hinzuweisen, dass es in dem dortigen Fall um die Darlegung eines Sachmangels im Rahmen gewährleistungsrechtlicher Ansprüche gegangen ist. Dies ist auf die Darlegungserfordernisse in dem vorliegenden Fall, in dem Schadensersatzansprüche gemäß §§ 826, 823 BGB im Streit stehen, nicht übertragbar. Denn die Darlegungs- und Beweislast richtet sich nach den jeweils einschlägigen Regeln des materiellen Rechts und kann daher sogar bei mehreren, auf demselben Lebenssachverhalt beruhenden Ansprüchen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2012 - XI ZR 254/10, juris Rn. 6). Was für die Darlegung eines Sachmangels ausreichend gewesen sein mag, stellt daher nicht auch einen greifbaren Anhaltspunkt für das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale der §§ 823, 826 BGB dar (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 2/21, juris Rn. 30).

In seinem Urteil vom 26. Juni 2023 hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass es Sache der Klagepartei sei, das Vorliegen einer Abschalteinrichtung als solcher im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 d...

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