Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch auf Abstammungsuntersuchung gegenüber Pflichtteilsberechtigtem

 

Normenkette

BGB § 1592

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 24.11.2021; Aktenzeichen 3 O 383/20)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar, gleichwohl wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 24.11.2021 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis zu 1.500,00 EUR festgesetzt.

Die zulässige Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat zudem keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats durch Urteil, die auch nicht aus anderen Gründen geboten ist (§ 522 Abs. 2 ZPO).

Wegen der tatsächlichen Feststellungen, der in der Berufungsinstanz angekündigten Anträge und der Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 18.3.2022 Bezug genommen. Die daraufhin erfolgten Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 9.5.2022 geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

Entgegen der Rüge der Beklagten lässt sich der Senat nicht von Annahmen und Unterstellungen leiten. Vielmehr sind bei der Würdigung des Sachverhalts auch Sätze der Lebenserfahrung anzuwenden. Zudem sind behördliche Erklärungen ebenso wie Willenserklärungen (s. hierzu Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., § 133 Rnr. 25) im Zweifel so auszulegen, dass sie wirksam sind. Nichts Anderes besagt die in derartigen Zusammenhängen verwendete Formulierung, es sei von einer bestimmten Willensrichtung "auszugehen".

Zu Unrecht beanstandet die Beklagte ferner, der Senat habe ihr Beweisangebot auf Feststellung der genetischen Abstammung übergangen. Zum einen hat die Beklagte ein solches Beweisangebot nicht gemacht (und mit der Berufung dessen Übergehung auch nicht gerügt), sondern vielmehr Hilfswiderklage auf Einwilligung in eine Abstammungsuntersuchung erhoben. Zum anderen wäre ein entsprechender Beweisantrag unerheblich, da die rechtliche Vaterschaft des Erblassers durch die außerhalb eines dafür vorgesehenen Verfahrens erfolgte Feststellung einer anderweitigen biologischen Abstammung nicht beseitigt würde.

Fehl geht die Differenzierung der Beklagten zwischen Unwirksamkeit der Anerkennung und hier angeblich geltend gemachter Nichtigkeit. Anders als die Beklagte meint, führen Wirksamkeitsmängel - wie die hier behauptete fehlende Zustimmung des Kindes - auch ohne Rüge dazu, dass die Anerkennung als nicht erfolgt gilt (Palandt/Diederichsen, BGB, 56. Aufl., § 1600 f Rnr. 1). Dennoch ist die unwirksame Anerkennung nach § 1600f a.F. (jetzt § 1598 Abs. 2 BGB) heilbar. Neben der Sache liegt der Verweis auf eine Kommentierung bei Grüneberg zu § 134 BGB.

Soweit sich die Beklagte dagegen wendet, dass sich die Vertretungsmacht des Stadtinspektors A konkludent aus der Urkunde selbst ergibt, hält der Senat an seiner Auffassung fest. Die Erteilung von Zustimmungserklärungen zu Vaterschaftsanerkennungen durch das Jugendamt gehört zu dessen alltäglichen Amtsgeschäften. Wenn vor diesem Hintergrund der Stadtangestellte B als Urkundsperson darauf verweist, dass der betreffende Stadtinspektors A "von Person bekannt" ist, deutet das auch auf dessen Vertretungsmacht hin. Aus § 12 BeurkG ergibt sich lediglich, dass vorgelegte Vertretungsausweise beigefügt werden sollen, nicht aber, dass derartige Ausweise stets vorzulegen sind.

Auch in Bezug auf die Qualifizierung des Schreibens des Jugendamts vom 24.10.1985 als öffentliche Zeugnisurkunde hält der Senat an seiner Auffassung fest. Der Verweis auf § 44 BeurkG geht fehl, da sich das Beurkundungsgesetz gem. dessen § 1 nur auf öffentliche Beurkundungen durch den Notar oder andere Urkundspersonen bezieht. Um eine solche Urkunde geht es hier nicht.

Hinsichtlich der weiteren Einwände der Beklagten wird auf den Hinweisbeschluss sowie auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.

Die nunmehr erhobene weitere Hilfswiderklage hindert einen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht (s. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013, III ZR 403/12, BGHZ 198, 315-327, juris Rnr. 27).

Daher wird die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO einstimmig als unbegründet zurückgewiesen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

-

Vorausgegangen ist unter dem 18.03.2022 folgender Hinweis (- die Red.):

In dem Rechtsstreit (...)

beabsichtigt der Senat, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 1.500,00 EUR festzusetzen.

Der Senat beabsichtigt ferner, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 24.11.2021 durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Zurückweisung binnen drei Wochen. Binnen derselben Frist...

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