Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeitsbestimmung: Bindungswirkung bei Gerichtsstandsbestimmung
Leitsatz (amtlich)
1. Hat das zur Zuständigkeitsbestimmung berufene Gericht die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstandes nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zunächst abgelehnt, ist es grundsätzlich nicht gehindert, auf die Gegenvorstellung einer Partei hin noch eine Gerichtsstandsbestimmung vorzunehmen.
2. Eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist ausgeschlossen, wenn das zunächst angerufene Prozessgericht den Rechtsstreit insgesamt bereits mit Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO an ein anderes Gericht verwiesen hat.
3. Zum Begriff des "Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen" und der "Zielgesellschaft" i.S.d. § 32b ZPO.
Normenkette
ZPO §§ 32b, 36 Abs. 1 Nrn. 3, 6, § 281 Abs. 2 S. 4
Tenor
Die Gegenvorstellung der Beklagten zu 2) gegen den Beschluss des Senats vom 13.2.2014 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Kläger nehmen mit der vor dem LG Frankfurt am Main eingereichten Klage die Beklagte zu 1) als beratende Bank und die Beklagte zu 2) als Treuhandkommanditistin wegen Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an der A. GmbH & Co. KG in Anspruch.
Die Kläger hatten zunächst beantragt, das LG Frankfurt am Main als gemeinsam zuständig zu bestimmen. Beide Beklagte haben diesem Antrag zugestimmt. Mit Beschluss vom 13.02.2014 hat der Senat eine Gerichtsstandsbestimmung abgelehnt, weil vorliegend ein gemeinsamer Gerichtsstand nach § 32b ZPO begründet sei. Die Beklagte zu 2) werde wegen einer der von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfassten Handlungen in Anspruch genommen, so dass § 32b ZPO nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 30.7.2013, X ARZ 320/13, NJW-RR 2013, 1302) vorliegend hinsichtlich beider Beklagten eingreife, obwohl Emittent, Anbieter oder Zielgesellschaft nicht mitverklagt seien.
Das LG Frankfurt am Main hat sich daraufhin mit Beschluss vom 20.02.2014 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG München I verwiesen (Bl. 513 ff d.A.). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte werde wegen falscher bzw. irreführender öffentlicher Kapitalmarktinformation nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Anspruch genommen, so dass auch nach der zitierten Entscheidung des BGH für das Eingreifen des § 3b ZPO vorliegenden Fall nicht entscheidend sei, dass der Emittent nicht mitverklagt wurde. Der (ausschließliche) Gerichtsstand des Emittenten liege vorliegend in München, wo Fondsgesellschaft und Prospektherausgeberin ihren Sitz hätten.
Am 04.03.2014 hat die Beklagte zu 2) gegen den Beschluss des Senats vom 13.02.2014 eine Gegenvorstellung erhoben, mit der sie geltend macht, vorliegend werde auch die Beklagte zu 2) nicht wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarkinformationen im Sinne von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Anspruch genommen, sondern nur wegen unterlassener Aufklärung darüber, dass die öffentliche Kapitalmarktinformationen eines Dritten falsch oder irreführend sei (§ 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Damit sei auch nach der zitierten Entscheidung des BGH der Anwendungsbereich des § 32b ZPO nicht eröffnet. Der Senat hat mit Verfügung vom 02.04.2014 - in Unkenntnis des zwischenzeitlich erfolgten Verweisungsbeschlusses - darauf hingewiesen, dass er sich dieser Auffassung anschließe.
Die Parteien halten übereinstimmend das LG Frankfurt für zuständig. Sie halten - ebenso wie das LG München I - den Verweisungsbeschluss des LG Frankfurt a.M. - für willkürlich und nicht bindend.
II. Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats vom 13.02.2014 ist zulässig. Die Ablehnung der Zuständigkeitsbestimmung ist mit keinem anderen Rechtsmittel angreifbar. Sie ist auch keiner materiellen Rechtskraft fähig, so dass der Senat selbst grundsätzlich zu einer Abänderung seiner Entscheidung befugt wäre.
Sie hat im Ergebnis jedoch keinen Erfolg. Eine Gerichtsstandsbestimmung kommt im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht mehr in Betracht, weil das LG Frankfurt a.M. den Rechtsstreit insgesamt mit bindender Wirkung an das LG München I verwiesen hat (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
Zwar betrifft die Bindungswirkung nach dem Wortlaut des Gesetzes zunächst nur das aufnehmende Gericht, das ist hier das LG München I. Es besteht jedoch in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit, dass auch das verweisende Gericht selbst nach § 318 ZPO an diesen Beschluss gebunden ist; er ist auch einer Anfechtung in der Rechtsmittelinstanz nicht zugänglich (vgl. Bacher in: Beck'scher Online-Kommentar zur ZPO; 281 Rndr. 24, 25; Foerste in: Münchener Kommentar zur ZPO, 11 Aufl., § 281 Rdnr. 11, 14; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 281 Rdnr. 14, 16). Auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 ZPO ist die Bindungswirkung eines (ersten) Verweisungsbeschlusses zu beachten (Zöller/Vollkommer, aaO. § 36 Rdnr. 28).
Bindungswirkung kommt Verweisungsbeschlüssen auch dann zu, wenn sie möglicherweise fehlerhaft sind, denn durch die Vorschrift des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO will das Gesetz erreichen,...