Entscheidungsstichwort (Thema)

Gehörsverletzung durch Nichtbeachtung von Parteivortrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird die beklagte Partei wegen Falschberatung im Zusammenhang mit der Verwendung einer falschen oder irreführenden Kapitalmarktinformation in Anspruch genommen, so kommt ein Gerichtsstand nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Betracht. Wenn sich die Klage nicht gleichzeitig gegen einen Prospektverantwortlichen i.S.d. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO richtet, setzt dieser Gerichtsstand jedoch voraus, dass Emittent, Anbieter oder Zielgesellschaft mitverklagt werden.

2. Ein Verweisungsbeschluss ist wegen Verletzung rechtlichen Gehörs nicht bindend, wenn sich das verweisende Gericht in keiner Weise mit dem übereinstimmenden Parteivortrag auseinandergesetzt hat, wonach in tatsächlicher Hinsicht die - vom Gericht zutreffend erkannten - Voraussetzungen einer Verweisung nicht vorlägen.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 32b Abs. 1 Nrn. 1-2, § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 Abs. 2 S. 4

 

Tenor

Das Landgericht Frankfurt a.M. wird gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als das zuständige Gericht bestimmt.

 

Gründe

I.

Der Kläger macht mit der bei dem Landgericht Frankfurt am Main eingereichten Klage Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Beteiligung an zwei geschlossenen Immobilienfonds in Form einer Kommanditgesellschaft (A und B) geltend.

Der Kläger hatte sich nach seinen Angaben zu den Beteiligungen aufgrund Beratung durch einen Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten entschlossen. Dabei sei weder über die Funktionsweise der Fonds, noch über deren Risiken, noch über die Höhe der Kick-Back-Zahlungen an die Beklagte informiert worden. Auch der - nur für den Fonds A zur Verfügung gestellte - Prospekt sei unzureichend.

Mit Verfügung vom 16.12.2013 hat das Landgericht Frankfurt am Main Bedenken an seiner Zuständigkeit geäußert. Vorliegend sei ein ausschließlicher Gerichtsstand nach § 32b ZPO beim Landgericht Köln als dem Sitz der Fondsgesellschaft begründet. Dass vorliegend Emittent, Anbieter oder Zielgesellschaft nicht mitverklagt seien, stehe der Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen, weil mit der Neuregelung des § 32 b dessen Anwendungsbereich lediglich auf Anlageberater oder Vermittler erweitert, nicht aber hinsichtlich der sonstigen Prospektverantwortlichen, die bereits von der bisherigen Fassung erfasst waren, eingeschränkt werden sollte. Deshalb gelte die Einschränkung des § 32b Abs. 1 HS 2 ZPO dann nicht, wenn die Klage zumindest gegen einen Beklagten auf eine der in § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO bezeichneten Handlungen gestützt werde (Bl. 218 ff d.A.).

Mit Schriftsatz vom 2.1.2014 (Bl. 229 d.A., Klägerin) bzw. 09.01.2014 (Bl. 235 d.A., Beklagte) wiesen die Parteien darauf hin, dass die Beklagte vorliegend aufgrund vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen in ihrer Eigenschaft als Anlagevermittler/Anlageberater in Anspruch genommen werde. Deshalb setze die Anwendbarkeit des § 32b ZPO voraus, dass Emittent oder Anbieter der Anteile mitverklagt seien. Die Klägerin beantragte gleichwohl hilfsweise Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Köln.

Nach Anhörung der Beklagten hat das Landgericht Frankfurt am Main den Rechtsstreit an das Landgericht Köln verwiesen, wobei es zur Begründung auf seine Verfügung vom 16.12.2013 Bezug nahm (Bl. 241 d.A.). Das Landgericht Köln hat mit Beschluss vom 28.04.2014 die Übernahme abgelehnt und den Rechtsstreit zur Zuständigkeitsbestimmung dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main vorgelegt.

II.

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. ist zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes berufen, da zuerst das Landgericht Frankfurt am Main mit der Sache befasst war, § 36 Abs. 2 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Landgericht Frankfurt am Main als auch das Landgericht Köln haben sich in unanfechtbaren Beschlüssen für örtlich unzuständig erklärt.

1)

Das Landgericht Frankfurt am Main ist nach den §§ 12, 17 ZPO für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig.

§ 32 b ZPO ist vorliegend nicht anwendbar. Die Beklagte wird nicht wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation im Sinne des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Anspruch genommen. Eine Verantwortlichkeit der Beklagten für den Inhalt des Verkaufsprospektes wird seitens des Klägers nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Der Kläger macht vielmehr geltend, dass die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin ihn falsch beraten hat und - im Falle des Fonds A - nicht über Prospektmängel aufgeklärt hat. Da im Falle des Fonds B nach dem Vortrag des Klägers der Prospekt nicht übergeben wurde, ist insoweit keine der Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 b Abs. 1 ZPO erfüllt (vgl. BGH Beschluss vom 30.7.2013, X ARZ 320/13, NJW-RR 2013, 1302 Rdnr. 30, 31). Hinsichtlich des Fonds A wird die Beklagte u.a. auch wegen der Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber...

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