Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtsstandbestimmung bei kartell- und vertragsrechtlicher Schadensersatzklage gegen Automobil-Konzerngesellschaften
Leitsatz (amtlich)
Eine Gerichtsstandbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn die Antragsgegner nur hinsichtlich eines der in objektiver Klagehäufung verfolgten Streitgegenstände als Streitgenossen verklagt werden (Fortführung von BayObLG, Beschluss vom 3.12.2019 -1 AR 112/19 = BeckRS 31311). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Zessionar mehrerer Zulieferunternehmen einerseits abgetretene Ansprüche wegen der Nichterfüllung vertraglicher Abnahmeverpflichtungen gegen einzelne Konzerngesellschaften eines Automobilkonzerns, andererseits abgetretene deliktische und kartellrechtliche Ansprüche gegen diese und weitere Konzerngesellschaften wegen der sog. "Aussteuerung" aus der Lieferkette geltend macht.
Normenkette
ZPO §§ 32, 36 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-03 O 20/20) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Eine Gerichtsstandbestimmung wird abgelehnt.
Gründe
I. Die in Stadt6 ansässige Antragstellerin macht mit ihrer unter dem Az. 2-0 3 O 20/20 beim Landgericht Frankfurt am Main geführten Klage als Zessionarin gekaufte Ansprüche von sieben Unternehmen geltend, die zu der von den Beklagten so genannten "X-Gruppe" (diese Bezeichnung wird im Folgenden beibehalten) gehören. Dabei handelt es sich um eine Unternehmensgruppe, an der unmittelbar oder mittelbar Mitglieder der Familie A mehrheitlich beteiligt waren oder sind. Die sieben Unternehmen waren bzw. sind Zulieferer der Automobilindustrie und waren Lieferanten der Antragsgegnerin zu 1) (Y AG, Stadt1) bzw. der rechtlich selbstständigen, zur Unternehmensgruppe der Antragsgegnerin zu 1) gehörenden Antragsgegnerinnen zu 2) - 6).
Streitgegenstand der Zahlungs- und Teilstufenklage sind vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche, die den Zedenten u.a. anlässlich der Aufkündigung der Lieferverträge durch die Antragsgegnerinnen im März 2018 entstanden sein sollen.
Bei den Zedenten handelt es sich um folgende Gesellschaften:
Die ursprünglich in Stadt2, Sachsen, ansässige Firma B GmbH entwickelte und vertrieb Komponenten für den Fahrzeuginnenraum, namentlich Sitzbezüge, die sie den Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 3) lieferte. Die vertraglichen Absprachen der Beteiligten verweisen auf die Allgemeinen Einkaufsbedingungen, in denen die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 3) u. a. folgendes festgelegt hatten: "Gerichtsstand ist der Sitz des Klägers oder ein anderes zuständiges Gericht" (Anlage ASt 45 Ziffer XV 8). Die Firma B GmbH verlegte im Januar 2020 ihren Sitz nach Stadt6.
Die ursprünglich in Stadt3, Sachsen, ansässige Firma C GmbH, die zwischenzeitlich von der niederländischen Investorengesellschaft D BV, Stadt4, übernommen worden war und über deren Vermögen im August 2021 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, belieferte die Antragsgegnerinnen zu 1) - 2) und 4) - 5) mit Gussteilen für Getriebe. Auch in den für die Vertragsbeziehung maßgeblichen Einkaufsbedingungen der Antragsgegnerin zu 2) ist eine der vorgenannten Klausel entsprechende Gerichtsstandbestimmung enthalten. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin zu 5) (Fa. F) sehen dagegen einen ausschließlichen Gerichtsstand in Stadt9 vor (Bl. 731 d. A.).
Die in Stadt1 ansässige Fa. X1 ist als global tätiger Auftragsfertiger in den Gebieten Design, Entwicklung und Vertrieb tätig und war nach dem Vortrag der Antragsgegnerinnen die zentrale Verwaltungseinheit der X-Gruppe, verantwortlich für Finanzplanung, Strategie und Vertrieb der gesamten Gruppe.
Die mittlerweile insolvente X2 GmbH & Co KG belieferte die Unternehmen der Y-Gruppe zu einem erheblichen Teil mit Hintersitzlehnenrahmen. Die Gesellschaft hat ihren Sitz am 15.8.2019 von Stadt5, Westfalen nach Stadt6 verlegt.
Die in Stadt1 ansässige Fa. X3 GmbH, mittlerweile firmierend unter E GmbH, ist eine Tochtergesellschaft der B GmbH und belieferte die Antragsgegnerin zu 1) u. a. mit Sitzbänken.
Die in Stadt7, Österreich, ansässige Fa. G GmbH war ein Zulieferunternehmen der Y-Gruppe für Autotextilien und bis zum Sommer des Jahres 2020 eine hundertprozentige Tochter der oben bereits genannten Fa. D.
Die Zedenten und die Unternehmen der Y Gruppe verband eine teilweise langjährige Lieferbeziehung. Am 28. Juni 2016 kündigte zunächst die Antragsgegnerin zu 1) den mit der Fa. B abgeschlossenen Entwicklungs- und Produktionsauftrag für die Sitzbezüge des Modells Marke1 Modell1, dann die Antragsgegnerin zu 3) den mit der Fa. B abgeschlossenen Entwicklungs- und Produktionsvertrag für die Sitzbezüge des Modells Marke2 Modell2. Die Fa. B widersprach diesen Kündigungen.
Anfang August 2016 stoppte zunächst die Firma B GmbH und dann auch die Firma C GmbH nach vorheriger Ankündigung die Belieferung der Antragsgegnerinnen. Dieser Lieferstopp wurde auch fortgesetzt, nachdem die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 3) vor dem Landgericht Braunschweig einstweilige Verfügungen...