Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Verweisung von Amts wegen durch die KfH nach § 97 Abs. 2 GVG - entgegen dem Antrag beider Parteien - ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob nicht doch eine Handelssache vorliegt.
2. Schließen sich Kaufleute als Vertragspartner eines beiderseitigen Handelsgeschäfts auf einer Seite zu einer GbR (sog. ARGE) zusammen, ändert sich nichts am Charakter des Vertrages als Handelsgeschäft, und zwar auch dann, wenn dies bereits vor Vertragsschluss geschieht.
3. Die Bau-ARGE wird ohne Publizitätsakt zur OHG und damit selbst zum Handelsunternehmen, wenn sie in einem kaufmännisch eingerichteten Betrieb ein Bauvorhaben von erheblichem Umfang ausführt.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2/11 O 93/04) |
Tenor
Die Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. ist für den Rechtsstreit zuständig.
Gründe
Die X. AG, Ingenieurbau, Niederlassung O1, und die Y. AG, Bauunternehmung, Niederlassung O1, sowie die Z. GmbH, Niederlassung O2, haben sich zur Arbeitsgemeinschaft A1. A.O2 GbR zusammengeschlossen. Über das Vermögen der Z. GmbH ist durch Beschluss des AG Kiel am 1.3.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Z. GmbH ist aus der Klägerin ausgeschieden; ihre Beteiligungsquote ist den verbleibenden Gesellschaftern angewachsen.
Die Klägerin macht als Generalunternehmerin entsprechend dem zwischen den Parteien geschlossenen Generalunternehmervertrag restlichen Werklohn für Modernisierungsarbeiten am A.O2 i.H.v. 5.122.936,13 Euro nebst Zinsen geltend. Sie hat die Klage bei der Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. eingereicht.
Die Kammer für Handelssachen hat Zweifel an ihrer funktionellen Zuständigkeit mitgeteilt. Sie hat ausgeführt, aufgrund der derzeit geltenden Fassung des § 95 Abs. 1 Ziff. 1 GVG liege ein Handelsgeschäft nur vor, wenn die Parteien als Kaufleute in dem Handelsregister eingetragen seien. Die Klägerin sei allerdings als Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht in das Handelsregister eingetragen und damit auch nicht Kaufmann im Sinne dieser Vorschrift.
Die Klägerin hat ihre Auffassung dargelegt, es liege eine Handelssache i.S.d. § 95 Abs. 1 Ziff. 1 GVG vor. Sie übe ein Handelsgewerbe aus, ihre Tätigkeit sei auf Gewinnerzielung gerichtet. Die Durchführung von Bauleistungen in einem Umfang der vorliegenden Art erfordere eine straffe betriebliche Organisation mit gefestigten Strukturen; das Bauvorhaben selbst sei von vornherein auf 19 Monate angelegt gewesen; mit der aufgrund der Nachtragsverhandlungen v. 15.5.2001 vereinbarten Verlängerung der Bauzeit habe sich die reine Ausführungsphase auf 4 Jahre belaufen. Da die Existenz der Klägerin erst mit Erfüllung der sich aus dem Bauvertrag ergebenden Rechte und Pflichten, insb. etwaiger Mängelansprüche, ende, sei ihr Vorhaben auf einen Zeitraum von nahezu 10 Jahren angelegt. Sie erfordere auch einen kaufmännisch eingerichteten Gewerbebetrieb. Sie selbst verfüge über eine von den Gesellschaftern losgelöste Buchhaltung, die sie in eigener Verantwortung abgewickelt habe. Sie habe über ein Baubüro verfügt, welches einen kompletten Bürobetrieb einschl. Telefon, Telefax und sonstiger Kommunikationsmöglichkeiten ermöglicht habe. Sie verweist auf die Entscheidungen des OLG Dresden (OLG Dresden BauR 2002, 1414, Kopie Bl. 101 ff. d.A.) und des KG (KG BauR 2001, 1790, Kopie Bl. 106 d.A.).
Auch die Beklagte, die der Klage entgegentritt und - eine zwischenzeitlich auch eingereichte - Widerklage angekündigt hat, hält die Kammer für Handelssachen für zuständig.
Beide Parteien haben beantragt, von einer Verweisung an die Zivilkammer Abstand zu nehmen.
Durch Beschluss v. 21.10.2004 hat die Kammer für Handelssachen sich von Amts wegen nach § 97 Abs. 2 GVG für funktional unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an die Zivilkammer des LG Frankfurt/M. verwiesen. Es handele sich nicht um eine Handelssache i.S.d. allein in Betracht kommenden § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG, da Ansprüche aus einem Vertrag geltend gemacht würden, der nicht mit einem Kaufmann geschlossen worden sei, sondern mit der Klägerin als rechts- und parteifähiger Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Auffassung, eine zum Zwecke der Errichtung eines Großbauvorhabens errichtete ARGE sei gewerblich tätig und sei zwingend als offene Handelsgesellschaft einzustufen, entspreche nicht der herrschendenden Meinung, insb. nicht der ständigen Rechtsprechung des BGH, wonach Bauarbeitsgemeinschaften in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft auftreten würden. Es handele sich nicht um einen Gewerbebetrieb, da die für den Gewerbebegriff erforderliche planmäßige Tätigkeit am Markt fehle, die GbR wie hier nur einmalig ggü. einem einzigen Bauherrn tätig werde. Einen Grundsatz, wonach jede rechtsfähige Personengesellschaft, die nach Art und Umfang kaufmännischer Einrichtungen bedürfe, dem Rechtsformenzwang unterliege und als oHG einzutragen sei, gebe es nicht.
Die Zivilkammer des LG Frankfurt/M. hat sich durch Kammerbeschluss v. 4.11.2004 ihrerseits für funktionell unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur ...