Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindende Verweisung durch ein zuständiges Gericht

 

Verfahrensgang

AG Hanau (Aktenzeichen 36 C 1558/03)

 

Gründe

Der Kläger verlangt vom Beklagten Vergütung für Transportleistungen i.H.v. 348 Euro (Hauptforderung). Der Mahnbescheid des AG Hagen über diesen Betrag konnte dem Beklagten am 14.2.2003 unter der Anschrift "F.-Straße 7, 63456 Hanau" nicht zugestellt werden, da der Adressat nicht zu ermitteln war. Eine erneute Zustellung wurde am 30.4.2003 durch Übergabe an einen erwachsenen Familienangehörigen ausgeführt. Nach Widerspruch gab das Mahngericht die Akten an das AG Hanau ab, wo sie am 4.6.2003 eingingen. Die Klagebegründung konnte dem Beklagten am 2.7.2003 in Hanau nicht zugestellt werden, weil abermals "der Adressat nicht zu ermitteln" war. Nach Mitteilung der neuen Anschrift des Beklagten in O. durch den Kläger wurde die Klagebegründung dort am 15.7.2003 zugestellt. Auf Antrag des Klägers hat das AG Hanau nach Anhörung des Beklagten mit Beschluss vom 1.9.2003 das Verfahren an das AG Offenbach verwiesen, welches mit Beschluss vom 19.3.2003 die Übernahme abgelehnt und die Sache an das AG Hanau zurückgegeben hat. Dieses hat die Akten dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Auf die zulässige Vorlage ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO das AG Offenbach, in dessen Bezirk der neue Wohnsitz des Beklagten in Ob. liegt, als das zuständige Gericht zu bestimmen.

Das AG O. ist infolge des Verweisungsbeschlusses vom 1.9.2003 zuständig geworden, da dieser Beschluss für das aufnehmende Gericht gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend ist. Die Bindungswirkung eines (ersten) Verweisungsbeschlusses wirkt im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO fort (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 36 Rz. 28). Die Bindungswirkung entfiele nur, wenn die Verweisung auf der Nichtgewährung rechtlichen Gehörs der Parteien beruht hätte oder jeder Grundlage entbehrte und sich daher als willkürlich erwiese (OLG Frankfurt v. 6.7.1993 -- AR 7/93, OLGReport Frankfurt 1993, 250 = NJW 1993, 2448; BGH NJW-RR 1991, 238 = EzFamR ZPO § 281 Nr. 13 und BGB § 11 Nr. 9; BGH v. 19.1.1993 -- X ARZ 845/92, NJW 1993, 1273; v. 6.10.1993 -- XII ARZ 22/93, NJW-RR 1994, 126 = FamRZ 1994, 437; Fischer, NJW 1993, 2417 ff.). Die vom AG H. ausgesprochene Verweisung entbehrt jedoch nicht der gesetzlichen Grundlage. Denn nach den vom Senat zusätzlich eingeholten Auskünften ist der Beklagte in O. gemeldet und hat nach eigener Angabe seinen Wohnsitz tatsächlich dorthin verlegt. Sowohl bereits bei Zustellung des Mahnbescheids als auch in dem für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim Streitgericht (§ 696 Abs. 1 S. 4 ZPO; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 696 Rz. 5 [7] und § 4 Rz. 3; Zöller/Greger, § 261 ZPO Rz. 2; BayObLG v. 29.6.1994 -- 1Z AR 31/94, BayObLGReport 1994, 64 = MDR 1995, 312 = NJW-RR 1995, 635; und OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.5.2002 - 21 AR 104/01 zur örtlichen sowie OLG Frankfurt v. 28.7.1992 -- 20 AR 109/92, OLGReport Frankfurt 1993, 15 = NJW-RR 1992, 1341; NJW 1995, 831 und BGH v. 26.2.1996 -- II ZR 114/95, GmbHR 1996, 452 = MDR 1996, 698 = NJW 1996, 1403 zur sachlichen Zuständigkeit) hatte der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand gem. §§ 12, 13 ZPO im Bezirk des AG O.

Unerheblich ist, ob neben dem allgemeinen Gerichtsstand auch der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) gegeben war. § 29 ZPO begründet keinen ausschließlichen Gerichtsstand (vgl. Zöller/Vollkommer, 24. Aufl., § 29 Rz. 21 ZPO); dem Kläger stand mithin gem. § 35 ZPO die Wahl zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand und dem Gerichtsstand des Erfüllungsortes zu. Dieses Wahl hat er durch Angabe des AG H. als Streitgericht im Mahnbescheidsantrag (§ 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) im Sinne des allgemeinen Gerichtsstandes getroffen, wie die Begründung seines Verweisungsantrags zeigt. Die getroffene Wahl ist unwiderruflich und bindend (Zöller/Vollkommer, § 35 Rz. 2, § 699 Rz. 16, § 696 Rz. 3, jew. m.w.N.).

Das AG Hanau hat mithin den Rechtsstreit wirksam an das örtlich zuständige AG Offenbach verwiesen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1156597

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