Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachbarrecht: Hammerschlags- und Leiterrecht (hier: Baukran)
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Eigentümer eines Grundstücks kann in entsprechender Anwendung der Vorschriften über das Hammerschlags- und Leiterrecht ein Benutzungsrecht am Nachbargrundstück des Inhalts zustehen, dass der Anleger eines auf seinem Grundstück stehenden Baukrans über dem Luftraum des Nachbargrundstücks schwenken darf.
2. Das Benutzungsrecht entsteht jedoch erst mit Ablauf der zweiwöchigen Frist nach Anzeige der beabsichtigten Benutzung (§§ 24 Abs. 1, 29 HessNachbarG).
Normenkette
BGB § 905 Abs. 1, § 1004 Abs. 1; NachbG HE § 24 Abs. 1, §§ 28-29
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 24.06.2010) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten gegen den Beschluss des LG Frankfurt, 25. Zivilkammer, vom 24.6.2010 wird zurückgewiesen.
Der Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Der Verfügungsbeklagte lässt als Bauherr eine Aufstockung seines mehrstöckigen Hauses in der Innenstadt von ... vornehmen. Ein von ihm beauftragter Unternehmer hat zu diesem Zweck einen ca. 20 bis 25 hohen Baukran im Hof hinter dem Vorderhaus aufgestellt. Die Verfügungskläger sind Eigentümer zweier von der Straße aus gesehen jeweils links und rechts vom Grundstück des Verfügungsbeklagten liegender Grundstücke, die jeweils mit einem Vorderhaus und einem Hinterhaus bebaut sind. Der Ausleger des Krans ist über das Dach der links gelegenen Häuser (...-Straße 1/2) geschwenkt. Bei Aufstellen des Kran ist es unstreitig zu einem Schaden an Dachziegeln an einem der links gelegenen Häuser gekommen.
Die Verfügungskläger haben im Wege einer einstweiligen Verfügung beantragt, dass dem Verfügungsbeklagten untersagt werde, zum einen den Baukran über ihre Häuser zu schwenken und zum anderen ihn "beladen" über ihre Häuser zu schwenken. Die Parteien haben darüber gestritten, ob der Ausleger des Krans mit Baumaterialien über die Häuser ...-Straße 1/2 geschwenkt worden ist.
Das LG hat eine mündliche Verhandlung anberaumt und Zeugen zu den streitigen Umständen vernommen. Die Verfügungskläger haben im Verlauf der Verhandlung die Stellung einer Sicherheit i.H.v. 25.000 EUR verlangt.
Die Parteien haben sich im Anschluss an die mündliche Verhandlung außergerichtlich geeinigt. Danach stellt der Verfügungsbeklagte zur Absicherung etwaiger Schadensrisiken eine Bürgschaft über 30.000 EUR. Sie haben sodann das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
Das LG hat durch den angefochtenen Beschluss die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten, mit der er beantragt die Kosten des Verfahrens in vollem Umfang den Verfügungsklägern aufzuerlegen.
II. Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 91a Abs. 2, 567, 569 ZPO statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden.
Sie ist in der Sache jedoch nicht begründet, weil das LG zu Recht die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben hat.
Für die Frage, wem nach übereinstimmender Erledigungserklärung die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sind, kommt es allerdings nicht darauf an, in welchem Umfang welche Partei aufgrund des die Erledigung bewirkenden Vergleichs unterlegen ist. Nach § 91a Abs. 1 ZPO sind die Kosten vielmehr unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu verteilen. Die Kosten sind deshalb nach Erfolgsaussichten in der Hauptsache im Zeitpunkt der Erledigungserklärungen zu verteilen ist.
Das LG hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.
Den Verfügungsklägern stand nach dem Sachstand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 7.6.2010 gegen den Verfügungsbeklagten aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB ein Unterlassungsanspruch des Inhalts zu, dass der auf dem Grundstück des Verfügungsbeklagten stehende Baukran mit seinem Ausleger nicht über die Häuser auf den Grundstücken ...-Straße 1 und 2 schwenken darf, sei es mit oder ohne Baumaterialien. Hinsichtlich der Grundstücke ...-Straße 3 und 4 dagegen bestand ein solcher Anspruch nicht. Ob den Verfügungsklägern daneben ein Anspruch gleichen Inhalts aus §§ 862, 858 BGB zustand, weil selbst bei einem Duldungsanspruch aus § 28 HessNachbarRG der bauende Nachbar nicht nicht berechtigt ist, im Wege der Selbsthilfe ohne Titel dass Nachbargrundstück in Anspruch zu nehmen (vgl. Rammert, Nachbarrecht Hessen, 2. Aufl., S. 57; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 91; and Auff. Dehner, Nachbarrecht, Gesamtdarstellung des privaten öffentlichen Nachbarrechts des Bundes und der Länder, Loseblatt, 7. Aufl., Teil A. § 6 II. 7.) kann deshalb dahin gestellt bleiben.
1. Das Einschwenken eines Baukrans im Luftraum über einem Grundstück stellt eine Beeinträchtigung des Eigentums i.S.v. § 1004 Abs. 1 BGB da, weil sich nach § 905 S. 1 BGB das Eigentumsrecht auch auf den Luftraum über dem Grundstück erstreckt und der Eigentümer deshalb nach § 903 S. 1 BGB jeden Dritten von der Einwirkung in di...