Entscheidungsstichwort (Thema)

Ärztliches Attest über Verhandlungsunfähigkeit als Entschuldigung für das Ausbleiben eines Zeugen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein ärztliches Attest, das einem Zeugen aus Gesundheitsgründen die Fähigkeit abspricht, den Vernehmungstermin wahrzunehmen, stellt grundsätzlich eine genügende Entschuldigung im Sinne des § 381 Abs. 1 ZPO dar.

 

Normenkette

ZPO § 380 Abs. 1, § 381 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 10.07.2015; Aktenzeichen 2-17 O 155/14)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der gegen ihn ergangene Ordnungsgeldbeschluss der 17. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main vom 10.7.2015 - 2-17 O 155/14 - in Verbindung mit dem Beschluss über die Nichtabhilfe vom 24.11.2015 aufgehoben.

 

Gründe

I. Der beschwerdeführende Zeuge wendet sich gegen ein gegen ihn festgesetztes Ordnungsgeld in Höhe von EUR 300,00.

Der Beschwerdeführer war unter dem 31.3.2015 als Zeuge zum Verhandlungstermin am 7.7.2015, 14:00 Uhr, geladen worden. Die entsprechende Ladung wurde ihm am 4.4.2015 zugestellt. Am Terminstage erschien der Beschwerdeführer nicht. Er hatte jedoch ein ärztliches Attest vom 2.7.2015 per Fax am frühen Nachmittag des 3.7.2015 an das LG gesandt. Dort war es allerdings der zuständigen Richterin nicht vor dem Termin am 7.7.2015 (sondern vielmehr erst am 21.9.2015) vorgelegt worden.

Die Klägervertreterin überreichte in der mündlichen Verhandlung vom 7.7.2015 eine Kopie des auf den 2.7.2015 datierten ärztlichen Attests mit einem handschriftlichen Zusatz des Beschwerdeführers. Wegen der Einzelheiten dieses Attestes und des Zusatzes wird auf die als Anlage zum Protokoll gereichte Kopie Bezug genommen (Bl. 97 d.A.). Die Parteivertreter wiederholten in der mündlichen Verhandlung vom 7.7.2015 ihre Anträge aus einer vorangegangenen Sitzung; das LG verkündete sodann einen Beschluss, nach dem ein neuer Termin von Amts wegen bestimmt werden sollte.

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 10.7.2015 setzte das LG gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 300,00 - im Nichtbetreibungsfall ersatzweise für je EUR 150,00 ein Tag Ordnungshaft - fest. Zugleich legte das LG dem Beschwerdeführer die durch sein Ausbleiben im Termin vom 7.7.2015 verursachten Kosten auf.

Gegen den ihm am 18.7.2015 zugestellten Ordnungsgeldbeschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit seinem am 24.7.2015 per Fax eingelegten Rechtsmittel. Zur Begründung führte der Beschwerdeführer aus, er habe "auf jeden Fall gesundheitliche Probleme [...] und habe deswegen den Termin am 7.7.2015 nicht wahrnehmen" können. Der Beschwerdeführer fügte seinem Rechtsmittel eine auf den 2.7.2015 datierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und ein "erweitertes" Attest - wiederum auf den 2.7.2015 datiert - bei.

In dem zwischenzeitlichen anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme am 27.10.2015 machte der Zeuge von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Mit Urteil vom 1.12.2015 entschied das LG den Rechtsstreit.

Mit Beschluss vom 24.11.2015 half das LG dem als Beschwerde ausgelegten Rechtsmittel des Beschwerdeführers nicht ab und legte die Akte dem Senat zur abschließenden Entscheidung vor.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird insbesondere auf den Inhalt des Nichtabhilfebeschlusses des LG vom 24.11.2015 Bezug genommen.

II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 380 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO wird gegen einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt.

Das Auferlegen der Kosten und das Festsetzen eines Ordnungsmittels unterbleiben jedoch gemäß § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO dann, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Erfolgt die Entschuldigung nach § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht rechtzeitig, so unterbleiben das Auferlegen der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft (§ 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Erfolgt die genügende Entschuldigung oder die Glaubhaftmachung nachträglich, so werden gemäß § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO die getroffenen Anordnungen unter den Voraussetzungen des § 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO aufgehoben.

Nach diesen Vorschriften ist im Streitfall das Festsetzen eines Ordnungsgeldes gegen den Beschwerdeführer nicht zu rechtfertigen.

Zwar war der Beschwerdeführer ordnungsgemäß unter Hinweis auf seine Erscheinenspflicht und die Folgen seines Ausbleibens zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 7.7.2015 geladen worden.

Der Beschwerdeführer hat jedoch sein Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt (§ 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Rechtzeitig im Sinne des § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist eine Entschuldigung nämlich dann, wenn sie so frühzeitig bei Gericht eingeht, dass der Termin noch verlegt und die zur Verhandlung geladenen Personen noch im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb u...

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