Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbständiges Beweisverfahren: Rechtliches Interesse an einer vorprozessualen Klärung der haftungsrechtlich maßgeblichen Gründe für einen Gesundheitsschaden Verfahrensgang:
Leitsatz (amtlich)
Das rechtliche Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO an der Feststellung des Zustandes einer Person oder der Ursache eines Personenschadens muss sich auf das Rechtsverhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegner beziehen.
Normenkette
ZPO § 485 Abs. 2, § 490 Abs. 2 S. 2, §§ 493, 494 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 19.01.2017; Aktenzeichen 2-14 OH 6/16) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin werden der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. Januar 2017 sowie der Nichtabhilfebeschluss vom 27. März 2017 unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert.
Es ist ein schriftliches Sachverständigengutachten über folgende Fragen einzuholen:
1. Stammt die Sputumprobe, die laut Antragsgegnerin vom 24. November 2015 datiert und deren Untersuchung durch Mikroskopie einen negativen Befund hatte, die Kultur aber einen Nachweis auf Mycobakterium tuberculosis enthalten soll, nachweislich von der Antragstellerin?
2. Sind die drei Sputumproben, die laut der Antragsgegnerin in der Zeit vom 25. November - 27. November 2015 bei der Antragstellerin genommen wurden, und die mikroskopisch negativ waren, auch in der Kultur mit negativem Befund gewesen?
3. Wenn dies der Fall sein sollte, wie ist es dann möglich, dass die Sputumprobe, die vom 24. November 2015 datieren soll, in der Kultur positiv gewesen sein könnte, wenn sie denn von der Antragstellerin stammen würde?
4. Ist vor diesem Hintergrund eine Verunreinigung oder eine Verwechselung der Probe, die vom 24. November 2015 stammen soll, vorstellbar?
5. Wie ist vor dem Hintergrund der negativen Befunde der Proben und der Röntgenuntersuchungsergebnisse die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Infektion der Antragstellerin mit TBC im November 2015 zu beurteilen?
9. Ist mit Spätfolgen durch die medikamentöse Behandlung zu rechnen?
Die weiter erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen werden dem Landgericht übertragen.
Im Übrigen wird der Antrag auf Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin beantragt die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens im selbständigen Beweisverfahren.
Sie stellte sich am 23. November 2015 bei ihrer Hausärztin, Frau A, vor, da sie an diesem Tage und vier Tage zuvor jeweils etwas Blut im Mund hatte.
Am 23. November 2015 wurde der Thorax der Antragstellerin geröntgt und eine Sputumprobe genommen. In dem Arztbrief des Facharztes für Radiologie B von diesem Tage (Anlage 1, Bl. 15 d. A.) heißt es unter der Überschrift "Beurteilung" u. a.: "Dringend abklärungsbedürftige Verschattung rechts apikal. Der Befund ist hochverdächtig für das Vorliegen einer TB. Weitere gezielte bakteriologische Abklärung [...] empfohlen".
Frau A wies die Antragstellerin sodann in die Klinik der Antragsgegnerin ein. Dort befand sich die Antragstellerin vom 24. bis zum 30. November 2015 auf der Station Innere Medizin II.
Am ersten Tage ihres dortigen Aufenthalts legte die Antragstellerin die ihr von ihrer Hausärztin überlassene Sputumprobe vor.
In der Klinik der Antragsgegnerin wurden drei weitere Sputum-Untersuchungen vorgenommen, welche ausweislich des Arztbriefes der Antragsgegnerin vom 30. November 2015 (Bl. 27 d. A.) alle ein negatives Ergebnis zeigten.
Das Medizinische Versorgungszentrum Labor C und Kollegen in Stadt1 meldete "gemäß §§ 7, 8, 9 Infektionsschutzgesetz" mit Schreiben vom 10. Dezember 2015 (Bl. 16 d. A.) dem Gesundheitsamt der Stadt2, dass bei der Antragstellerin eine Erkrankung "durch: Mycobacterium tuberculosis" bestehe. Als "Abnahmedatum" der Probe ("Sputum 1") ist der 24. November 2015 genannt.
Das Gesundheitsamt der Stadt2 wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 (Anlage 4, Bl. 30 d. A.) an die Antragstellerin und bat für den Fall, dass diese sich gegen eine erneute stationäre Behandlung entscheide, um Vorsprache im Gesundheitsamt am 14. Dezember 2015.
Mit einer Erklärung vom 15. Dezember 2015 (Anlagen 5 und 6, Bl. 31 f. d. A.) verpflichtete sich die Antragstellerin gegenüber dem Gesundheitsamt der Stadt2, sich ambulant behandeln zu lassen. Einen Tag später begann die Antragstellerin eine ambulante antituberkulotische Chemotherapie.
In der Folgezeit litt die Antragstellerin ausweislich des Arztbriefes der Krankenhaus D GmbH vom 19. Februar 2016 (Bl. 43 f. d. A.) u. a. unter einer Leukopenie und Fieber.
Die Antragstellerin hegt den Verdacht, dass sie möglicherweise gar nicht an TBC erkrankt gewesen sei und die gesamte Folgebehandlung möglicherweise vollkommen unnötig gewesen sein könnte. Es bestehe der Verdacht, dass "die nicht eindeutig zuzuordnende Probe vom 24. November 2015" entweder beim Anlegen der Kultur verunreinigt oder aber verwechselt worden sei.
Vor diesem Hintergrund ha...