Leitsatz (amtlich)
1. Erbringt ein zum berufsmäßigen Ergänzungspfleger bestellter Rechtsanwalt für den Pflegling über die bloße Amtsausübung hinausgehende berufsspezifische Dienste, steht ihm ein Wahlrecht zwischen der Vergütung nach anwaltlichem Gebührenrecht (§§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1835 Abs. 3 BGB i.V.m. den Bestimmungen des RVG) und der Vergütung nach Zeitaufwand (§§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG) zu, und zwar unabhängig davon, ob ihm im Falle der Vergütung nach anwaltlichem Gebührenrecht lediglich eine Vergütung nach Beratungs- oder Prozesskostenhilfesätzen zustehen würde. Das Wahlrecht kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Festsetzung der Vergütung ausgeübt werden.
2. Rechnet ein zum berufsmäßigen Ergänzungspfleger eines mittellosen Pfleglings bestellter Rechtsanwalt mit der Staatskasse nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG nach Zeitaufwand ab, fällt auf die festgesetzte Vergütung keine Umsatzsteuer an, weshalb ihm eine solche auch nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 3 VBVG zu ersetzen ist. Dies gilt im Hinblick auf Art. 132 Teil A Abs. 1g) und h) MwStSystRL und die hierzu ergangene Entscheidung des BFH vom 25.4.2013 - V R 7/11, auch für Leistungen, die der Ergänzungspfleger vor In-Kraft-Treten des § 4 Nr. 25 Satz 3c) UStG zum 1.7.2013 erbracht hat.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Die der Ergänzungspflegerin für das Führen der Pflegschaft aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird festgesetzt auf 575,08 EUR. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Ihre durch die Beschwerde verursachten Aufwendungen tragen die Beteiligten selbst.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit einstweiliger Anordnung vom 10.7.2012 bestellte das AG dem betroffenen, als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland eingereisten Minderjährigen für den Aufgabenkreis der ausländer- und asylrechtlichen Betreuung die im Rubrum aufgeführte Rechtsanwältin als Ergänzungspflegerin und stellte fest, dass diese die Pflegschaft berufsmäßig führt. Die Verpflichtung durch den Rechtspfleger des AG erfolgte am 23.7.2012. Für die Personensorge im Übrigen war das zuständige Jugendamt zum Pfleger bestellt worden.
Mit Kostennote vom 21.3.2013 beantragte die Ergänzungspflegerin beim AG für ihr Tätigwerden im ausländer- und asylrechtlichen Verfahren die Festsetzung und Auszahlung einer Vergütung von 518,84 EUR nach dem RVG. Wegen der Zusammensetzung der geltend gemachten Vergütung wird auf das Schreiben vom 21.3.2013, Bl. 35 der Akte, Bezug genommen.
Nach Eintritt der Volljährigkeit des mittelosen Pfleglings und der damit einhergehenden Beendigung der Pflegschaft erinnerte die Ergänzungspflegerin an ihren Festsetzungsantrag. Nach erfolgtem Hinweis des Rechtspflegers auf die Beschränkung der dem Anwaltspfleger nach dem RVG zustehenden Vergütung auf die Beratungshilfesätze beantragte die Ergänzungspflegerin mit Schreiben vom 27.6.2014, beim AG eingegangen am 30.6.2014, die Festsetzung einer am Zeitaufwand orientierten Vergütung von 1.055,25 EUR (= 31,5 Stunden × 33,50 EUR) zzgl. 200,50 EUR Umsatzsteuer. Auf das Schreiben vom 27.6.2014, Bl. 43 ff. der Akte, wird ebenfalls Bezug genommen.
Nachdem der Rechtspfleger einen Betrag von 1.055,25 EUR zur Auszahlung gebracht hatte, beantragte die Bezirksrevisorin beim AG mit als "Beschwerde" bezeichnetem Schreiben vom 7.8.2014 die förmliche Festsetzung der Vergütung der Ergänzungspflegerin. Der Rechtspfleger setzte die der Ergänzungspflegerin aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung daraufhin mit dem angefochtenen Beschluss vom 14.8.2014 auf 1.055,25 EUR fest und führte zur Begründung aus, die Umstellung auf eine Abrechnung nach Zeitaufwand nach § 1836 Abs. 1 BGB sei zulässig, weil über den Antrag auf Abrechnung nach anwaltlichem Gebührenrecht im Zeitpunkt der Umstellung noch nicht entschieden gewesen sei. Der Anspruch auf Vergütung des Zeitaufwands für die im Zeitraum vom 19.1.2013 bis zum 14.4.2014 erbrachten Tätigkeiten sei auch nicht teilweise nach § 2 VBVG erloschen; insoweit sei der Vergütungsantrag vom 21.3.2013 als fristwahrend anzusehen.
Mit Schreiben vom 19.8.2014, beim AG eingegangen spätestens am 25.8.2014, hat die Bezirksrevisorin erklärt, die Beschwerde vom 7.8.2014 erstrecke sich auf den Festsetzungsbeschluss vom 14.8.2014.
Sie vertritt die Auffassung, die festzusetzende Vergütung sei auf die Beratungshilfesätze und damit auf 99,96 EUR zzgl. 90,20 EUR Reisekosten zu beschränken. Die Ergänzungspflegerin habe das ihr zustehende Wahlrecht zwischen einer Vergütung nach anwaltlichem Gebührenrecht und einer Vergütung nach Zeitaufwand mit dem Schreiben vom 21.3.2013 ausgeübt und müsse sich hieran festhalten lassen. Im Übrigen treffe die Ergänzungspflegerin im Rahmen der Pflicht zur kostensparenden Amtsführung ohnehin eine Obliegenheit, die Belastung der Allgemeinheit mit Vergütungsansprüchen so gering wie m...