Leitsatz (amtlich)
Der Entzug des Sorgerechts ist bei einer Verweigerung des Umgangs durch den betreuenden Elternteil und einer ernsthaft geäußerten Ablehnungshaltung gegen den nicht betreuenden Elternteil durch ein älteres Kind eine ungeeignete und damit unverhältnismäßige Maßnahme, wenn dieser Entzug im Einzelfall mit einer Beeinträchtigung des Kindeswohls einhergeht, die durch die Beseitigung einer durch eine Verweigerung des Umgangs gegebenen Kindeswohlgefährdung nicht aufgewogen wird.
Verfahrensgang
AG Darmstadt (Beschluss vom 19.11.2012; Aktenzeichen 51 F 1211/11 SO) |
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Darmstadt vom 19.11.2012 - 51 F 1211/11 SO, wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Gegenstandswert wird festgesetzt auf 3.000 EUR.
Gründe
I. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird für die Darstellung des Sachverhalts auf die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen mit den nachfolgenden Ergänzungen für das Beschwerdeverfahren.
Mit Beschluss vom 19.11.2012 hat das AG Darmstadt den Antrag des Antragstellers auf Übertragung der Personensorge für die gemeinsame Tochter [...] auf ihn zurückgewiesen und festgestellt, dass Maßnahmen gem. § 1666 BGB nicht angezeigt sind.
Gegen den ihm am 22.11.2012 zugestellten Beschluss legte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 4.12.2012, beim AG Darmstadt eingegangen am 6.12.2012, Beschwerde ein. Der Antragsteller bewertet die Entscheidung des AG als Kapitulation vor dem kindeswohlgefährdenden Verhalten der Antragsgegnerin. Die mangelnde Bindungstoleranz führe zu einer Kindeswohlgefährdung, was die Sachverständige festgestellt habe. Dies mache Maßnahmen nach § 1666 BGB erforderlich. Die nach § 1666 BGB außerhalb des vollständigen Entzugs des Sorgerechts liegenden Möglichkeiten sind nach Auffassung des Antragstellers nicht ausgeschöpft. Er verweist auf die Möglichkeit des Teilentzugs der elterlichen Sorge in Verbindung mit der Einsetzung eines Umgangs- oder Ergänzungspflegers, der Kontakt des Antragstellers mit [seiner Tochter] im schulischen Bereich sowie im Hort ermöglichen könnte, sowie auf Empfehlungen der Sachverständigen, mit [der Tochter] Gespräche zu führen. Als weitere mögliche Maßnahme nennt er die Anordnung der Teilnahme an einer Erziehungsberatung. Auch sieht er die Übertragung der Gesundheitssorge auf einen Ergänzungspfleger als sinnvoll an, der überprüfen kann, ob die derzeitige therapeutische Betreuung [des Kindes] in kindeswohlgefährdender Art und Weise erfolgt oder von der Antragsgegnerin instrumentalisiert wird. Der Antragsteller teilt die Prognose des Gerichts, nach der die geführten Verfahren gezeigt haben, dass die Antragsgegnerin ihr Verhalten nicht ändern wird, nicht. Es dürfe angesichts der gegebenen Kindeswohlgefährdung nicht darauf gewartet werden, dass die Antragsgegnerin ihr Verhalten von sich aus aufgibt.
Das Jugendamt spricht sich in der im Beschwerdeverfahren erfolgten Stellungnahme für eine Zurückweisung der Beschwerde aus. Es weist darauf hin, dass die Antragsgegnerin selbst die fachliche Begleitung durch den Deutschen Kinderschutzbund und einen Verfahrenspfleger nicht annehmen konnte und als Bedrohung für sich und ihre Tochter wertet. Es stellt fest, dass [das Kind] nach der Trennung zunächst in einem Loyalitätskonflikt stand, aufgrund der Prägung des Bildes von ihrem Vater durch die Antragsgegnerin mittlerweile ihren Vater weder sehen noch mit ihm sprechen möchte. Nach Auffassung des Jugendamts entspricht eine Übertragung des Sorgerechts auf den Kindesvater derzeit nicht dem Kindeswohl, weil [das Mädchen] ihren Vater als Bedrohung wahrnimmt und eine Veränderung zum jetzigen Zeitpunkt eine weitere Traumatisierung bedeuten würde, neben der Traumatisierung, die beide Elternteile durch ihr Agieren bereits verursacht haben.
Die Verfahrensbeiständin spricht sich in ihrer Stellungnahme ebenfalls für eine Zurückweisung der Beschwerde aus. Sie weist darauf hin, dass bereits versuchte Maßnahmen wie insbesondere der Einsatz eines Umgangspflegers gescheitert sind oder derzeit nicht zu einer Befriedung und damit Wiederherstellung des Kindeswohls beitragen würden. Die Verfahrensbeiständin geht davon aus, dass sich [das Kind] momentan nicht auf eine Maßnahme nach § 1666 BGB einlassen würde, weil sie die juristische Auseinandersetzung als für ihre Mutter schädigend begreift und meint, sie solle von ihrer Mutter getrennt werden. Nach Auffassung der Verfahrensbeiständin wird allein ein Zuwarten des Kindesvaters und die Beendigung juristischer Auseinandersetzungen eine Annäherung zwischen Vater und Tochter ermöglichen.
II. Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet.
Das AG Darmstadt ist in seinem Beschluss zutreffend davon ausgegangen, dass weder die rechtlichen Voraussetzungen für Maßnahmen nach § 1666 BGB noch für eine Übertragung von Teilen des Sorgerechts a...