Entscheidungsstichwort (Thema)
Faktoren für die Streitwertbemessung bei auf UWG und PAngV gestützem Unterlassungsbegehren eines Verbraucherschutzvereines
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Verbänden nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG ist das satzungsmäßig wahrgenommene Interesse der Verbraucher maßgebend. Es kommt also auf die gerade den Verbrauchern drohenden Nachteile an. Da ein Verbraucherschutzverband die Aufgabe hat, diese Belange zu vertreten, ist sein Interesse an der gerichtlichen Durchsetzung in der Regel höher zu bewerten als das Interesse einzelner Mitbewerber.
2. Bei einem fälligen, in die Zukunft gerichteten Unterlassungsbegehren sollen drohende Verletzungen verhindert werden. Bei der Bewertung des Interesses ist dabei nicht allein auf die gegenwärtigen Verhältnisse abzustellen; ausschlaggebend ist vielmehr das wirtschaftliche Interesse der mit weiteren Verstößen verbundenen wirtschaftlichen Nachteile, für die bereits begangene Verletzungshandlungen nur indizielle Bedeutung haben.
Normenkette
GKG § 51; PAngV § 2; UWG §§ 3a, 8 Abs. 3 Nr. 3; ZPO § 3
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Beschluss vom 11.03.2020; Aktenzeichen 15 O 57/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert. Der Streitwert wird auf 20.000,- EUR festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Kläger - ein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG aufgenommener Verbraucherschutzverein - hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch aus § 3a UWG i.V.m. § 8 Abs. 1 LMIV sowie einen Unterlassungsanspruch aus § 3a UWG i.V.m. § 2 Abs. 1 PangV geltend gemacht. Das Landgericht ist von der Streitwertangabe in der Klageschrift (25.000,- EUR) abgewichen und hat den Streitwert auf 500,- EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es handele sich um Angaben, von denen die meisten Verbraucher keine Kenntnis nähmen. Zudem handele es sich um einen offensichtlichen Verstoß, so dass die Angabe des Klägers in der Klageschrift mangels Prozesskostenrisiko keine Indizwirkung habe. Schließlich sei der geringe Wert der beanstandeten Lebensmittel zu berücksichtigen.
Der gegen die Streitwertfestsetzung im eigenen Namen gerichteten Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der diese die Festsetzung auf 25.000,- EUR begehren, hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere fehlt es nicht an der nötigen Beschwer (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 68 Abs. 1 GKG). Die Prozessbevollmächtigten des Klägers, die die Beschwerde ausdrücklich in eigenem Namen eingelegt haben, sind durch eine zu niedrige Streitwertfestsetzung beschwert und haben daher nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG ein eigenes Beschwerderecht.
2. Die Beschwerde ist auch teilweise begründet. Das Interesse des Klägers an der Durchsetzung der mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsbegehren erscheint mit einem Streitwert von 20.000,- EUR richtig bemessen. Die Streitwertfestsetzung des Landgerichts auf einen Wert von 250,- EUR pro Unterlassungsangriff entbehrt einer sachlichen Grundlage.
a) Nach § 51 Abs. 2 GKG ist der Streitwert entsprechend der sich aus dem Antrag des Klägers bzw. Antragstellers ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen. Bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen bemisst sich der Streitwert nach dem Interesse des Anspruchstellers, künftige Verletzungshandlungen der geltend gemachten Art zu verhindern. Dabei ist die Gefährlichkeit der zu unterbindenden Handlung im Hinblick auf den drohenden Schaden, der sog. "Angriffsfaktor", zu berücksichtigen.
Bei Verbänden nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG - wie dem Kläger - ist das satzungsmäßig wahrgenommene Interesse der Verbraucher maßgebend (BGH GRUR-RR 2013, 528 Rn. 2; BGH GRUR 2017, 212 Rn. 9; OLG Frankfurt am Main WRP 2020, 632). Es kommt also auf die gerade den Verbrauchern drohenden Nachteile an. Dieses Interesse kann unter Umständen erheblich höher liegen als das Interesse des Mitbewerbers. Da der Kläger als Verbraucherschutzverband die Aufgabe hat, diese Belange zu vertreten, ist sein Interesse an der gerichtlichen Durchsetzung in der Regel höher zu bewerten als das Interesse einzelner Mitbewerber (OLG Frankfurt am Main K&R 2011, 806 zu fehlender Widerrufsbelehrung; KG WRP 2010, 789; OLG Karlsruhe MDR 2016, 1116).
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats kommt der Streitwertangabe des Klägers zu Beginn des Verfahrens eine erhebliche indizielle Bedeutung für das tatsächlich verfolgte Interesse zu (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3.11.2011 - 6 W 65/10). Da er zum Zeitpunkt der Einreichung der Antragsschrift nicht sicher wissen kann, ob sein Antrag Erfolg haben wird, ist er von sich aus gehalten, sein wirtschaftliches Interesse an der Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes real...