Leitsatz (amtlich)

§ 1567 Abs. 1 S. 1 BGB ist auch auf Ehen anwendbar, die entweder von vornherein oder ab einem späteren Zeitpunkt ohne gemeinsamen räumlichen Lebensmittelpunkt geführt werden. Ein Getrenntleben im Sinne des § 1567 Abs. 1 BGB tritt in diesen Fällen erst dann ein, wenn ein Ehegatte das Motiv der Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft erkennbar macht (Anschluss an:BGH, Urteil vom 25.01.1989 - IVb ZR 34/88, NJW 1989, S. 1988).

Wenn eine Versorgungsausgleichssache im Scheidungsverbund von Amts wegen durchzuführen ist und bisher keine Auskünfte dazu eingeholt wurden, steht die Folgesache Versorgungsausgleich noch zur Entscheidung an i. S. d. § 146 Abs. 1 S. 1 FamFG.

 

Normenkette

BGB § 1567 Abs. 1 S. 1; FamFG § 137 Abs. 2, § 146 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Wiesbaden (Aktenzeichen 536 F 217/18 S)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 03.12.2019 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 17.10.2019 und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht - Familiengericht - Wiesbaden zurückverwiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 15.975,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Scheidungsverfahrens um den Ablauf des Trennungsjahres.

Sie schlossen am 28.05.1983 miteinander die Ehe, aus der keine Kinder hervorgegangen sind. Die 1951 geborene Antragstellerin ist Rentnerin. Der 1953 geborene Antragsgegner ist noch als Arzt selbständig tätig mit zwei allgemeinmedizinischen Praxen in ... . Dort hat der Antragsgegner auch eine eigene Wohnung. Die Beziehung der Beteiligten kriselt schon längere Zeit. Zum Az. 536 F 54/16 S begehrte die Antragstellerin bereits im Jahr 2016 die Scheidung und trug dort vor, dass eine Trennung zum 01.01.2015 erfolgt sei. Im dortigen Verfahren ging der Antragsgegner davon aus, dass die damalige Trennung im April 2016 erfolgt sei. Im dortigen Verfahren einigten sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht im April 2017 auf einen erneuten Versöhnungsversuch, woraufhin das damalige Verfahren beendet wurde. Die Beteiligten schlossen einen Mietvertrag bezüglich der aktuellen Wohnung der Antragstellerin mit Wirkung vom 01.07.2017, in dem beide Beteiligte als Mieter benannt sind. Der Antragsgegner zahlt die Miete dieser Wohnung. Die Antragstellerin wohnt dort überwiegend allein. Der Antragsgegner nutzte diese Wohnung zunächst mittwochs und hin und wieder am späten Freitagabend, um dort zu übernachten, wobei dies auf dem Schlafzimmersofa bzw. in einem eigenen Zimmer erfolgte. Jedenfalls seit Februar 2019 ist es auch nach Angaben des Antragsgegners nur zu einer Übernachtung in der Wohnung gekommen. Wie häufig der Antragsgegner sich im Einzelnen vor Februar 2019 und auch nach Februar 2019 in der Wohnung aufgehalten hat, ist im Einzelnen streitig zwischen den Beteiligten.

Die Antragstellerin behauptet unter Beweisantritt, dass sich der Antragsgegner einer anderen Frau zugewandt habe.

Die Antragstellerin beantragt, die Ehe der Beteiligten zu scheiden.

Der VKH-Antrag zum Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner Ende September 2018 übermittelt und der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 02.11.2018 zugestellt.

Der Antragsgegner beantragt, den Scheidungsantrag zurückzuweisen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Scheidungsantrag zurückgewiesen. Es ging davon aus, dass der Vortrag der Antragstellerin zum Trennungszeitpunkt widersprüchlich sei, dass nach dem Versöhnungsversuch in 2017 kein eindeutiger, nach außen sichtbarer Zeitpunkt einer Trennung in der besonderen Konstellation dieser Ehe erkennbar sei und dass die Ehegatten noch wirtschaftlich verflochten seien. Den Beweisangeboten der Antragstellerin sei nicht nachzugehen, da diese nicht zu einem konkreten Beweisthema benannt seien. Wegen des weiteren Inhalts wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 08.11.2019 zugestellt.

Mit der am 05.12.2019 beim Amtsgericht eingegangenen und am 06.01.2020 gegenüber dem Oberlandesgericht begründeten Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, dass der im Vorverfahren angedachte Versöhnungsversuch schon kurze Zeit nach dem Umzug der Antragstellerin in ihre bisherige Wohnung im Juli 2017 gescheitert gewesen sei und die gelegentlichen Aufenthalte des Antragsgegners in ihrer Wohnung kein Fortbestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft darstellten. Seit diesem Zeitpunkt hätten keine gemeinsamen Reisen, Ausflüge oder eine Pflege des gemeinsamen Freundes- oder Bekanntenkreises mehr stattgefunden. In ihrer Wohnung befänden sich keinerlei persönliche Gegenstände des Antragsgegners. Aufgrund ihrer Einkommenssituation habe die Antragstellerin nicht die Möglichkeit, eine (andere) eigene Wohnung anzumieten. Die finanziellen Leistungen des Antragsgegners seien bezüglich der Frage der Trennung nicht relevant. Im Übrigen habe der Antragsgegner selb...

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