Leitsatz (amtlich)
Voraussetzungen für zwangsweise Durchsetzung des Umgangsrechts
Normenkette
FamFG § 89 Abs. 1-2; GG Art. 2 Abs. 1; BGB § 1684
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Beschluss vom 05.07.2013; Aktenzeichen 536 F 75/13) |
Tenor
Der Beschluss des AG Wiesbaden vom 5.7.2013 wird hinsichtlich Abs. 1 und 2 wie folgt abgeändert:
Der Antrag der Antragstellerin auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes wird zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird mit 500 EUR bemessen.
Gründe
Die Beteiligten sind die Eltern der minderjährigen Kinder ... Die Kinder leben seit der Trennung ihrer Eltern in der Obhut der Kindesmutter.
Unter dem Aktenzeichen 553 F 275/09 schlossen die Beteiligten am 26.11.2009 eine umfassende Umgangsvereinbarung, welche den Umgang zwischen den beiden minderjährigen Kindern und dem Antragsgegner regelte und welche mit Beschluss vom gleichen Tag familiengerichtlich gebilligt wurde.
Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 26.2.2013, dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld aufzuerlegen bzw. anzudrohen, da der Antragsgegner sein Besuchsrecht seit einigen Monaten nicht mehr wahrnehme.
Mit Beschluss vom 12.3.2013 erteilte das AG daraufhin den Hinweis, dass bei einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die sich aus dem o.g. Vergleich ergebenden Verpflichtungen, ein Ordnungsgeld ersatzweise Ordnungshaft bzw. Ordnungshaft angeordnet werden könne (§ 89 Abs. 2 FamFG). Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde nahm der Antragsgegner nach Hinweis des AG zurück.
Mit Schriftsatz vom 12.6.2013 beantragte die Antragstellerin erneut die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Antragsgegner, da dieser nach wie vor den Umgang nicht wahrnehme.
Der Antragsgegner beantragte, den Antrag zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht verstoße gegen das Grundrecht zum Schutz der Persönlichkeit und diene nicht dem Kindeswohl. Er sei wieder verheiratet, seine Ehefrau erwarte Zwillinge, zudem seien die häuslichen Verhältnisse beengt.
Mit Beschluss vom 10.7.2013 setzte das AG gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld i.H.v. 500 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von 10 Tagen fest. Zur Begründung führte das AG aus, dass zwar auch zu berücksichtigen sei wie sich die Zwangsvollstreckung auf das Kindeswohl auswirke, die Zwangsvollstreckung jedoch auch einer effektiven Durchsetzung der getroffenen Regelung diene und die Kindeswohlprüfung in der Ausgangsentscheidung, bei welcher es sich vorliegend um einen zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich handelt, erfolgt sei. Eine erneute Überprüfung der Rechtmäßigkeit habe nicht zu erfolgen. Der Antragsgegner habe, sofern er nicht mehr an der ursprünglichen Regelung festhalten wolle, eine Änderung der Umgangskontakte anzustreben.
Gegen die ihm am 11.7.2013 zugegangene Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit dem am 22.7.2013 beim AG eingegangenen Rechtsmittel.
Er stellt nochmals heraus, dass er nicht gewillt ist, derzeit Umgangskontakte mit seinen Kindern auszuüben und bezieht sich im Weiteren unter Berufung auf die Entscheidung des BVerfG darauf, dass sein Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit verletzt sei.
Die gem. §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, sofortige Beschwerde ist begründet, so dass der angegriffene Beschluss aufzuheben ist.
Dem AG ist insofern zuzustimmen, dass § 89 FamFG als Vollstreckungsvorschrift der effektiven Durchsetzung der Entscheidung -vorliegend des Vergleichs- dient und im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens in aller Regel keine erneute Überprüfung des Kindeswohls zu erfolgen hat, da von einer entsprechenden Überprüfung im Erkenntnisverfahren auszugehen ist (vgl. BGH FamRZ 2012, 533; OLG Frankfurt FamRZ 2013, 812).
Vorliegend erfolgt jedoch keine erneute Überprüfung, ob die vereinbarte Umgangsregelung dem Kindeswohl entspricht, vielmehr hat sich die Entscheidung an dem grundrechtlich geschützten Bereich des Antragsgegners messen zu lassen.
Die Ausgestaltung des § 89 Abs. 1 FamFG als "Kann-Vorschrift" stellt die Anordnung des Ordnungsmittels in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts und berücksichtigt mit dieser Formulierung die Entscheidung des BVerfG vom 1.4.2008 (FamRZ 2008, 845) zur zwangsweisen Durchsetzung einer Umgangsregelung gegen den Willen des umgangsberechtigten Elternteil (vgl. BGH vom 17.8.2011, FamRZ 2011, 1729 ff. unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/9733, 291).
Die zwangsweise Durchsetzung des Umgangs gegen den Willen des Umgangsberechtigten unter Festsetzung von Ordnungsmitteln ist vorliegend nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und verletzt den Antragsgegner in seinem Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG.
Das Persönlichkeitsrecht wird vorliegend nicht durch die Rechte anderer bzw. die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt. Eine derartige Beschränkung, welche stets auf eine...