Leitsatz (amtlich)
- Für eine zulässige Vorlage zur Zuständigkeitsbestimmung müssen die für die Entscheidung maßgeblichen Unzuständigkeitserklärungen der Gerichte Außenwirkung erlangt haben.
- Ein nach § 152 Abs. 2 FamFG zuständiges AG kann von der Möglichkeit, ein Verfahren nach seinem Ermessen gemäß § 154 FamFG zu verweisen, auch dann Gebrauch machen, wenn das Verfahren zuvor gemäß § 3 FamFG zutreffend dorthin verwiesen worden ist, wobei es sich dann um eine ausnahmsweise zulässige und nicht gegen die Bindungswirkung des vorangegangenen Beschlusses verstoßende Rückverweisung handeln kann, die in § 154 FamFG angelegt ist.
Normenkette
FamFG § 3 Abs. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 4, § 152 Abs. 2, § 154
Verfahrensgang
AG Bensheim (Aktenzeichen 73 F 610/16 SO) |
Tenor
Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Gründe
Zwischen den Beteiligten zu 3. und 4. (Eltern der Beteiligten zu 1.) ist im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Sorge das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das beteiligte Kind im Streit. Die Beteiligten zu 1., 3. und 4. lebten bis Mitte Mai 2016 alle in Bensheim, allerdings die Kindesmutter und das Kind in einer anderen Wohnung als der Kindesvater.
Nachdem die Kindesmutter ihren und des Kindes gewöhnlichen Aufenthalt im Mai 2016 nach L. verlegt hatte, hat der Kindesvater das vorliegende Verfahren beim AG Bensheim eingeleitet.
Das AG Bensheim hat das Verfahren nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 15.06.2016 an das AG L. verwiesen, weil das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt nun im Bezirk dieses Gerichts hat und deshalb gemäß § 152 Abs. 2 FamFG zuständig war.
Das AG L. hat dann in einem Vermerk vom 24.06.2016, den es allen Beteiligten zugesandt hat, angekündigt, dass es eine Rückverweisung nach § 154 FamFG an das AG Bensheim beabsichtigt, weil die Kindesmutter den ständigen Aufenthalt des Kindes, wie sie in einem Termin in anderer Sache eingeräumt hat, gegen den Willen des mitsorgeberechtigten Kindesvaters von Bensheim nach L. verlegt hat. Entsprechend hat das AG L. mit Beschluss vom 04.07.2016 entschieden.
Daraufhin hat das AG Bensheim die Akten ohne weitere Benachrichtigung der Beteiligten gemäß Verfügung vom 24.08.2016 dem Senat zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung sind jedoch nicht erfüllt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG kann das zuständige Gericht nur dann durch das nächsthöhere gemeinsame Gericht bestimmt werden, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für das Verfahren zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Die Unzuständigkeitserklärungen müssen Außenwirkung haben, also den Verfahrensbeteiligten - soweit sie erreichbar sind - bekannt gemacht worden sein (BGH FamRZ 1992, 794, Rn. 6; BGH FamRZ 1993, 49, Rn. 3; BGH NJW-RR 1996, 1217; OLG Frankfurt NJW RR 2016, 838, Rn. 10).
Im vorliegenden Fall ist zwar der erste Verweisungsbeschluss des AG Bensheim vom 15.06.2016 den Beteiligten bekannt gemacht worden. Insoweit steht aber auch nicht im Streit, dass das AG L. zunächst allein zuständig war. Um diesen Beschluss, mit dem sich das AG Bensheim damals zutreffend für unzuständig erklärt und die Sache bindend verwiesen hat, geht es deswegen vorliegend auch nicht mehr (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 15.03.2012, 21 AR 1/12 juris, Rn. 9 = FamRZ 2012, 1406).
Maßgeblich ist vielmehr, dass das zunächst tatsächlich allein nach § 152 Abs. 2 FamFG zuständige AG L. von der mit dem FamFG neu eingeführten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Sache nach seinem Ermessen gemäß § 154 FamFG zu verweisen, was auch eine dann ausnahmsweise zulässige und nicht gegen die Bindungswirkung des Bensheimer Beschlusses verstoßende Rückverweisung beinhalten kann (Prütting/Helms/Hammer, FamFG, § 154, Rn. 12). Insoweit hält sich das AG Bensheim jedoch, nunmehr erneut, nicht für zuständig und hat die Sache ohne Benachrichtigung der Beteiligten (insoweit anders als im Fall des OLG Köln aaO, Rn. 12) dem Senat vorgelegt hat, so dass es hier an den oben näher dargelegten Voraussetzungen einer zulässigen Vorlage nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG fehlt.
Der Senat weist dennoch vorsorglich darauf hin, dass er das AG Bensheim nunmehr gemäß § 3 Abs. 3 FamFG iVm § 154 FamFG für örtlich zuständig hält. Die Voraussetzungen für eine bindende (Rück-)Verweisung nach § 154 FamFG an das zunächst nicht zuständige, dadurch aber zuständig gewordene Gericht des früheren Aufenthalts des Kindes liegen hier vor; insbesondere liegen keine Ausnahmen nach § 154 Satz 2 FamFG vor. Das Ermessen wurde seitens des AG L. dem Sinn und Zweck des § 154 FamFG entsprechend ausgeübt (insoweit in der Sache anders als in dem dem OLG Köln aaO zugrunde liegenden Fall). Das AG hat beachtet, dass es sich hier nicht um eine unaufschiebbare Eilentscheidung handelt (in einer parallelen EA-Sache hat das AG L. selbst sofort entschieden), vielmehr geht es sogar um die Abänderung einer ursprünglich vom AG Bensheim getroffenen Sorgerechtsregelung. Es liegt - wie ausgeführt - au...