Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis Erbfolge gegenüber Grundbuchamt bei Pflichtteilsstrafklausel
Leitsatz (amtlich)
Gegenüber dem Grundbuchamt kann im Falle eines notariellen gemeinschaftlichen Testaments mit Pflichtteilsstrafklausel, sofern kein Erbschein vorgelegt wird, die Nichtgeltendmachung des Pflichtteils nach dem ersten Erbfall nur durch von einem Notar aufgenommene eidesstattliche Versicherung nachgewiesen werden.
Normenkette
GBO § 18 Abs. 1 S. 1, § 29 Abs. 1, § 35 Abs. 1, § 71 Abs. 1; StGB § 156
Verfahrensgang
AG Bensheim (Verfügung vom 28.06.2023; Aktenzeichen LO-7797-6) |
Tenor
Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind Kinder der Eheleute Vorname1 A und Vorname2 A. Eine weitere Tochter der Eheleute, Frau Vorname3 A, war am XX.XX.2003 kinderlos verstorben. Herr Vorname1 A war als Eigentümer des oben bezeichneten Grundbesitzes, des Grundstücks Straße1 9 in Stadt1, im Grundbuch eingetragen.
Die Eheleute A errichteten am 27.09.2004 ein notarielles gemeinschaftliches Testament (UR-Nr. .../2004 des Notars E in A; Bl. 6/4 ff. d.A.). Darin setzten sie sich gegenseitig zu alleinigen und uneingeschränkten Erben ein. Der Längerlebende sollte beerbt werden durch die Beteiligten zu gleichen Teilen. Im Falle des Vorversterbens eines Beteiligten sollten dessen Abkömmlinge an seine Stelle treten, bezüglich der Beteiligten zu 4, die keine Abkömmlinge hatte, sollte der Erbteil den übrigen Beteiligten beziehungsweise deren Abkömmlingen anwachsen. Weiter heißt es in dem Testament:
Sollte einer unserer Erben [...] nach dem Erstversterbenden von uns den Pflichtteil verlangen, so soll er auch nach dem Zuletztversterbenden lediglich den Pflichtteil erhalten. Der frei werdende Nachlass fließt dann den übrigen Miterben, die kein Pflichtteilsanspruch haben, zu gleichen Teilen zu.
[Orthografie im Original]
Herr Vorname1 A verstarb am XX.XX.2014. Als Eigentümerin des Grundstücks wurde daraufhin am 08.08.2014 Frau Vorname2 A eingetragen. Frau Vorname2 A verstarb am XX.XX.2022.
Die Beteiligten schlossen am 09.05.2023 einen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag (UVZ-Nr. ... der Notarin G in Stadt2, ihrer jetzigen Bevollmächtigten; Bl. 6/14 ff. d.A.). Gemäß diesem Vertrag soll der Beteiligte zu 3 das Grundstück übernehmen. Die Eintragung der Eigentumsänderung wurde bewilligt und beantragt. Mit Schriftsatz vom 15.06.2023 beantragte die Notarin die Wahrung der Eigentumsumschreibung (Bl. 6/13 d.A.).
Am 28.06.2023 hat das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung erlassen (Bl. 6/16 f. d.A.). Das Testament genüge als Erbnachweis für die Grundbuchberichtigung nicht, weil es eine Pflichtteilsstrafklausel enthalte. Der Erbnachweis könne erbracht werden durch Vorlage eines Erbscheins oder durch notariell beurkundete eidesstattliche Versicherungen aller Erben, dass keiner von ihnen nach dem Tod des Erstverstorbenen den Pflichtteil geltend gemacht habe.
Daraufhin versandte die Notarin am 04.07.2023 an die Beteiligten vorformulierte Erklärungen, die auszugsweise lauten (Bl. 6/22R,23R,24R,25R,26R d.A.):
Zur Vorlage bei dem Amtsgericht Stadt2 - Grundbuchamt - bestätigen wir, die unterzeichnenden [Beteiligten],
dass nach dem Tode des Erstversterbenden unserer Eltern [...] keinerlei Pflichtteilsansprüche geltend gemacht worden sind und es somit bei der Erbfolge nach [dem Testament] geblieben ist, d.h. wir haben unsere verstorbene Mutter zu gleichen Teilen, somit zu je 1/5 beerbt.
Nachdem wir über die strafbaren Folgen einer vorsätzlich oder fahrlässig abgegebenen falschen eidesstattlichen Versicherung belehrt worden sind, VERSICHERN wir hiermit AN EIDES STATT, dass die vorstehenden Angaben richtig und vollständig sind.
[Hervorhebung im Original]
In dem Begleitschreiben der Notarin (Bl. 6/31 d.A.) heißt es:
Diese Erklärung - nach dem anliegenden Muster - ist in öffentlich beglaubigter Form abzugeben, in Hessen daher entweder durch Beglaubigung der Unterschrift durch das Ortsgericht oder einen Notar, wobei ich aus Kostengründen empfehle, die Beglaubigung durch das Ortsgericht vornehmen zu lassen.
Ich weise ausdrücklich belehrend darauf hin, dass eine vorsätzlich oder fahrlässig falsch oder unrichtig abgegebene Eidesstattliche Versicherung strafrechtliche Konsequenzen hat und empfehle daher ausdrücklich, die Unterschrift nur dann zu leisten, wenn der Inhalt der Erklärung zutreffend ist.
Die Erklärungen wurden von den Beteiligten jeweils einzeln unterzeichnet und öffentlich beglaubigt, bei den Beteiligten zu 1, 3, 4, 5 durch den Ortsgerichtsvorsteher (Bl. 6/22,24,25,26 d.A.), bei der in Baden-Württemberg lebenden Beteiligten zu 2 durch den Ratsschreiber (Bl. 6/23 d.A.).
Mit weiterer "Zwischenverfügung" vom 16.08.2023 (Bl. 6/28 d.A.) hat das Grundbuchamt mitgeteilt, das mit der Verfügung vom 28.06.2023 mitgeteilte Eintragungshindernis sei nicht behoben. Die anstelle eines Erbschei...