Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsschießungsversicherung: Corona-Schließungen nicht von Versicherungsschutz umfasst

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 20.04.2022; Aktenzeichen 26 O 565/20)

 

Tenor

Auf den Hinweis wurde die Berufung zurückgenommen.

 

Gründe

Die Klägerin wird auf die Absicht des Senats hingewiesen, die Berufung gegen das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 21.04.2022 nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Sie erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 08.03.2023 Stellung zu nehmen.

1. Die Berufung wird im Beschlussverfahren zurückzuweisen sein, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 ZPO). Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 90.000 EUR aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag i. V. m. § 1 S. 1 VVG und § 1 AVB-BS (Stand 01.01.2018).

1. Der Senat verweist wegen der mangelnden Erfolgsaussicht zunächst auf die zutreffenden Gründe des landgerichtlichen Urteils und fügt im Hinblick auf die Berufungsbegründung das Folgende hinzu:

a) Es besteht zwar unstreitig ein Vertrag über eine Betriebsschließungsversicherung zwischen den Parteien, welcher den Beklagten verpflichtet, der Klägerin eine Entschädigung in der vereinbarten Höhe zu zahlen, wenn es zu einer Schließung des versicherten Betriebs durch die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern kommt (§ 1 Abs. 1 lit. a) AVB-BS). Eine Betriebsschließung zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit COVID-19 oder des Krankheitserregers SARS-CoV-2 ist jedoch nicht vom Versicherungsschutz umfasst (so grundlegend BGH, Urteil vom 26.01.2022, IV ZR 144/21, zit. n. juris, zu im Wesentlichen identischen Versicherungsbedingungen).

Etwas Anderes kann auch nicht aus den Äußerungen des Beklagten im März 2020 auf seiner Homepage geschlossen werden. Einem Erklärungstatbestand dürfen nicht nachträglich Inhalte beigelegt werden, von denen die Parteien bei Vertragsschluss nicht ausgegangen sind. Es ist nichts dafür festgestellt oder sonst ersichtlich, dass die behauptete Erklärung des Beklagten auf seiner Internetseite nicht lediglich auf dessen einseitigem Rechtsverständnis zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach dem Vertragsschluss beruhte, sondern sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Sommer 2018 mit der Auffassung der Klägerin deckte (vgl BGH, Urteil vom 18.01.2023, IV ZR 465/212, juris Rn. 49 m. w. N.).

Allenfalls käme eine nachträgliche Vereinbarung zwischen den Parteien über den Sinngehalt des § 1 Abs. 1 und 2 AVB-BS und den sich daraus ergebenden erweiterten Versicherungsumfang aufgrund der Anfrage der Versicherungsmaklerin der Klägerin im März 2020 und dem Antwortschreiben des Beklagten vom 06.03.2020 in Betracht. Für die Abgabe einer vertragsbezogenen Willenserklärung kann sprechen, wenn der Versicherer auf Nachfrage des Versicherungsnehmers oder eines von ihm beauftragten Maklers die Mitversicherung des Coronavirus im Namen des Versicherers ausdrücklich bestätigt und nach außen zu erkennen gibt, verbindliche Auskünfte über den Inhalt eines konkreten Versicherungsvertrages zu treffen (Schreier, Bindung des Versicherers an Äußerungen zur Mitversicherung des Coronavirus in der Betriebsschließungsversicherung, r + s 2022, 130 ff., Ziffer. 2, zit. n. beck-online).

b) Das Zustandekommen einer entsprechenden nachträglichen Vereinbarung zwischen den Parteien bedarf hier jedoch keiner Entscheidung, weil es vorliegend an einer bedingungsgemäßen Schließung der Betriebsstätte der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund der Verordnungen nach § 6 SARS-CoV-2-EindV des Landes Brandenburg vom 17.03.2020, 22.03.2020 und 17.04.2020 i. S. v. § 1 Nr. 1 a) AVB-BS fehlt.

Nach § 1 Nr. 1. a) AVB-BS muss der Betrieb oder die Betriebsstätte vollständig geschlossen werden. Eine Teilschließung ist nach der überwiegenden Meinung in Rspr. und Literatur in den hier maßgeblichen Bedingungen nicht versichert (ebenso OLG Hamburg (Hotel), Urteil vom 16.07.2021, 9 U 25/21, VersR 2021, 1228 ff., 1230, juris Rn. 47 ff.; OLG Hamburg (Landgasthof), Zurückweisungsbeschluss vom 16.11.2021, 9 U 73/21, BeckRS 2021, 42765; OLG Celle (Partyservice), Urteil vom 08.07.2021, 8 U 61/21, juris Rn. 49; OLG München (Kindertagestätte), Urteil vom 12.05.2021, 25 U 5794/20, VersR 2021, 1174, 1177, juris Rn. 33; LG Berlin (Hotel), Urteil vom, 24 O 203/20, juris Rn. 29; Günther, VersR 21, 1141; Günther, a. a. O., NJW 2022, Rn. 21 m. w. N.).

Bei den hier maßgeblichen AVB legt bereits der Begriff der "Betriebsschließungsversicherung" nahe, dass es sich nicht um eine Versicherung für eine Teilschließung oder Ähnliches handelt. Auch sind in der Klausel "der Betrieb" und die "versicherte Betriebsstätte" genannt, nicht jedoch Teile bzw. die Schließung von Teilen derselben. Schließlich ist wesentliche Versicherungsleistung die vereinbarte Tagesentschädigung bis zur verein...

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