Entscheidungsstichwort (Thema)

Dieselskandal: Keine Ansprüche für im Mai 2017 erworbenen gebrauchten VW Tiguan mit Motor EA288

 

Verfahrensgang

LG Fulda (Urteil vom 18.08.2022; Aktenzeichen 2 O 83/22)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 18. August 2022 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts vom 18. August 2022 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf eine Wertstufe bis zu 30.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte hinsichtlich eines von ihm erworbenen Kraftfahrzeugs auf Rückabwicklung des mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrages im Rahmen deliktischen Schadensersatzes in Anspruch.

Am 29. Mai 2017 erwarb der Kläger von der Firma X in Stadt1 einen VW Tiguan TDI, Fahrzeugidentifikationsnummer ..., mit einem Kilometerstand von 16.608 zum Preis von 37.000,- EUR brutto. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA288 (Euro 6) mit einer Leistung von 110 kW (150 PS) ausgestattet.

Bei Motoren dieses Typs wird zur Verringerung der Stickoxidemissionen ein Teil des Abgases in das Ansaugsystem des Motors zurückgeführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Unterhalb und oberhalb bestimmter Außentemperaturen wird diese Abgasrückführung herabgesetzt (Thermofenster). Außerdem findet bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine Abgasnachbehandlung mittels eines SCR-Systems durch Einspritzung der Harnstofflösung AdBlue statt.

Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 6 erteilt. Ein emissionsbedingter Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wurde für das Fahrzeug nicht angeordnet.

Der Kläger hat behauptet, in der Motorsteuerungssoftware des Fahrzeugs seien unzulässige Abschalteinrichtungen implementiert, und zwar neben dem Thermofenster auch eine Zykluserkennung, die bewirke, dass auf dem Prüfstand beim Durchlaufen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) weniger Stickoxide ausgestoßen würden als im realen Fahrbetrieb. Es liege eine Manipulation des SCR-Katalysators vor. Weiterhin habe die Beklagte zur Verschleierung das On-Board-Diagnosesystem (OBD) manipuliert. Der Vorstand der Beklagten sei in den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtungen in ihre Dieselfahrzeuge eingeweiht gewesen. Die entsprechenden Vorgänge könnten nicht am Vorstand vorbei geschehen sein.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte ihm deshalb aus unerlaubter Handlung auf Zahlung von Schadensersatz.

Der Kläger hat beantragt,

  • 1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 26.326,66 EUR (Kaufpreis abzüglich der bereits als möglich berechenbaren Nutzungsentschädigung mit Kilometerstand bei Klageeinreichung) abzüglich einer weiter zu berechnenden vom Gericht auf Basis einer Gesamtfahrleistung von 300.000 km zu schätzenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Zugrundelegung des Kilometerstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz zzgl. nebst Zinsen aus dem sich dadurch ergebenden Klageforderungsbetrag in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Volkswagen Tiguan mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...;
  • 2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet

sowie

  • 3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.590,91 EUR freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen in Abrede gestellt. Insoweit hat sie auf umfassende langjährige Untersuchungen des Kraftfahrt-Bundesamts verwiesen, die zu dem Ergebnis geführt hätten, dass Motoren der Baureihe EA 288 keine unzulässige Abschalteinrichtung enthalten.

Im Übrigen wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil vom 18. August 2022.

Durch dieses Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Ein deliktsrechtlicher Anspruch des Klägers aus § 826 BGB scheitere an fehlenden tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die Beklagte das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Verkehr gebracht habe. Der Kläger habe nämlich keine Umstände da...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge