Leitsatz (amtlich)
1. Im Maßregelvollzug hat die Einrichtung kein Antragsrecht nach § 109 Abs.1, § 138 Abs. 3 StVollzG, um die richterliche Genehmigung oder Anordnung einer Fesselung eines Untergebrachten bei der Strafvollstreckungskammer herbeizuführen.
2. Es obliegt dem Gesetzgeber gegebenenfalls einen Richtervorbehalt bei der Anordnung oder Genehmigung von Fixierungen im Rahmen des Maßregelvollzugs zu erlassen.
Normenkette
StVollzG §§ 109, 138 Abs. 3; HMVollzG § 7a Abs. 5 S. 3
Verfahrensgang
LG Marburg (Entscheidung vom 20.09.2018; Aktenzeichen 3a StVK 2/18) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Klinik1, vertreten durch die Ärztliche Direktorin Frau A, gegen den Beschluss des Landgerichts Marburg - 3. Strafkammer; Jugendkammer - vom 20. September 2018 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und etwaige notwendigen Auslagen der Untergebrachten fallen der Staatskasse zur Last (§ 121 Abs. 4 StVollzG; § 473 Abs. 1 und Abs. 2 StPO).
Der Gegenstandswert wird auf 500 € festgesetzt (§§ 60, 52 Abs. 1 GKG).
Gründe
Die Betroffene ist gemäß § 7 Abs. 1 JGG, § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Die Maßregel wird in der Klinik der Antragstellerin vollzogen. Diese hat beantragt, die Fesselung der Betroffenen (§ 34 Abs. 2 Nr. 5 HMVollzG) zu genehmigen. Die nach § 92 JGG zuständige Jugendkammer hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich die Leiterin der Klinik mit ihrer Rechtsbeschwerde. Sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG liegen vor. Die Nachprüfung der Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Es ist angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 309/15; 2 BvR 502/16) zum Erfordernis der richterlichen Anordnung oder nachträglichen Genehmigung einer Fixierung von nach landesrechtlichen Vorschriften untergebrachten psychisch kranken Personen klärungsbedürftig, ob auch im Falle einer strafrechtlichen Unterbringung (§ 63 StGB) die Maßregelvollzugsanstalt vor der Fixierung eine richterliche Anordnung erwirken muss oder die nachträgliche richterliche Genehmigung der Maßnahme notwendig ist. Zudem besteht die Gefahr, dass sich zu dieser Rechtsfrage unter den für Maßregelvollzugssachen zuständigen Gerichten - in aller Regel sind dies die Strafvollstreckungskammern (§§ 109 Abs. 1 Satz 1, 110, 138 Abs. 3 StVollzG) - eine divergierende Rechtsprechung entwickelt.
In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Der Rechtsschutz gegen vollzugliche Maßnahmen richtet sich nach §§ 109ff. StVollzG. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 109 Abs. 2 StVollz). Daran fehlt es hier. Die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes sehen nicht vor, dass die Vollzugseinrichtung eine beabsichtigte Maßnahme, die allein den Gefangenen oder Untergebrachten beschwert, gerichtlich anordnen oder nachträglich genehmigen lassen kann.
Eine entsprechende Anwendung der Regelungen, die der Landesgesetzgeber in Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsmedikation getroffen hat (BVerfGE 128, 282 ff.), führt zu keinem anderen Ergebnis. Sie eröffnen eine Anfechtungsmöglichkeit nach § 109 StVollzG nur durch den Betroffenen selbst (§ 7a Abs. 5 Satz 3 HMVollzG). Die Genehmigung der Anordnung erfolgt durch die Fachaufsichtsbehörde (§ 7a Abs. 5 Satz 1 HMVollzG). Effektiver Rechtsschutz wird dabei in der Weise gewährt, dass - sofern nicht Gefahr in Verzug ist - dem Betroffenen die Maßnahme vorher angekündigt wird (§ 7a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HMVollzG) und er dagegen die nach §§ 109 Abs. 1, 114 Abs. 2 StVollzG vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten ergreifen kann.
Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 kann über die Bindungswirkung (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungsgerichte für richterliche Anordnungen oder Genehmigungen von 5-Punkt/7-Punkt- Fixierungen nicht abgeleitet werden. Die Entscheidung betrifft Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus nach landesrechtlichen Vorschriften Bayerns und Baden-Württembergs. Dem entspricht in Hessen das "Gesetz über Hilfen bei psychischen Krankheiten - PsychKHG" vom 4. Mai 2017 (GVBl. I S. 66 ff.). Die Unterbringung nach § § 63 StGB oder § 7 JGG ist von dessen Anwendungsbereich ausgenommen (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 PsychKHG). Das zugehörige gerichtliche Verfahren richtet sich dort nach den Vorschriften des FamFG (§ 16 PsychKHG). Der Sache nach handelt es sich um vorübergehende Unterbringungen nach Betreuungsrecht (§ 1906 BGB). Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht für die Übergangszeit der Weitergeltungsanordnung auf das im FamFG vorgesehene Verfahren hingewiesen (BVerfG aaO Rn. 124). § 312 FamFG regelt die gerichtliche Genehmigung oder Anordnung freiheitse...