Entscheidungsstichwort (Thema)
Handeln aufgrund Vollmacht über den Tod hinaus
Leitsatz (amtlich)
1. Ergibt sich aus einer Vollmacht, dass sie von dem Bevollmächtigten nach dem Tod des Vollmachtgebers ausgeübt werden kann, und macht der Bevollmächtigte von dieser Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers Gebrauch, so treten die Wirkungen seiner rechtsgeschäftlichen Erklärung in der Person des bzw. der Erben ein, die er auch nicht benennen muss.
2. Zur Frage der (fortbestehenden) Legitimationswirkung einer derartigen Vollmacht bei denkbarer Alleinerbenstellung des Bevollmächtigten
Normenkette
GBO §§ 20, 35
Verfahrensgang
AG Kassel (Verfügung vom 26.07.2022; Aktenzeichen ...) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Das vorinstanzliche Aktenzeichen wird aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht mitgeteilt.
Die Zwischenverfügung wird aufgehoben.
Gründe
I. In Abt. I, lfd. Nr. 3, des oben aufgeführten Grundbuchs ist X als Eigentümerin des betroffenen Grundbesitzes eingetragen. X ist am XX.XX.2021 verstorben.
Mit Schreiben vom 09.11.2021 (Bl. 9/1 ff. d. A.) hat der Verfahrensbevollmächtigte unter anderem seine notarielle Urkunde vom 02.11.2021, UR-Nr. ..., beim Grundbuchamt eingereicht. Ausweislich dieser Urkunde, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 9/3 ff. d. A. verwiesen wird, hat die Beschwerdeführerin, handelnd nicht im eigenen Namen, sondern aufgrund Vollmacht vom 06.04.2021, UR-Nr. ... des Verfahrensbevollmächtigten (Bl. 9/19 ff. d. A.), für X den betroffenen Grundbesitz an Vorname1 Nachname1-Nachname2 und Vorname2 Nachname2 zum Kaufpreis von 470.000,- EUR verkauft. Ein Hinweis auf den Umstand, dass X an diesem Tag bereits verstorben war, findet sich in der Urkunde nicht. Des Weiteren hat der Verfahrensbevollmächtigte mit seinem Schreiben vom 09.11.2021 seine weitere notarielle Urkunde vom 02.11.2021, UR-Nr. ..., beim Grundbuchamt eingereicht. Ausweislich dieser Urkunde, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 9/23 ff. d. A. verwiesen wird, haben die vorgenannten Käufer aufgrund einer Vollmacht in Ziffer IX. des Kaufvertrags auch im Namen der X eine Buchgrundschuld in Höhe von 325.000,- EUR zugunsten der Bank1 AG in Stadt1 bestellt. Aufgrund der im Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 09.11.2021 gemäß § 15 GBO gestellten Anträge ist am 27.11.2021 in Abt. II, lfd. Nr. 1, zunächst eine Eigentumsübertragungsvormerkung (auflösend bedingt) für die Käufer eingetragen worden. Darüber hinaus ist am gleichen Tag in Abt. II, lfd. Nr. 2, aufgrund Bewilligung im erstgenannten Vertrag vom 02.11.2021 eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB, befristet) für X eingetragen worden. Letztendlich ist am gleichen Tag in Abt. III, lfd. Nr. 8, die Grundschuld ohne Brief in Höhe von 325.000,- EUR für die Bank1 AG in Stadt1 gemäß der Bewilligung vom 02.11.2021 in der zweitgenannten notariellen Urkunde eingetragen worden.
In der Folge hat das Amtsgericht Kassel - Nachlassgericht - mit Schreiben vom 02.12.2021 in der Nachlasssache nach X Kopien eines Eröffnungsprotokolls vom 30.09.2021 und der darin bezeichneten Verfügungen von Todes wegen zum betroffenen Grundbuch eingereicht. Wegen der Einzelheiten dieser - jeweils handschriftlich errichteten - Verfügungen von Todes wegen vom 04.04.1983 und vom 07.12.2020 wird auf Bl. 10/1 ff. d. A. verwiesen.
Mit weiterem Schreiben an das Grundbuchamt vom 05.01.2022 (Bl. 11/1 d. A.) hat der Verfahrensbevollmächtigte unter Bezugnahme auf die erstgenannte notarielle Urkunde vom 02.11.2021 namens des Verkäufers aufgrund der in diesem Kaufvertrag erteilten Vollmacht bewilligt und für den Käufer gemäß § 15 GBO beantragt, in das Grundbuch den Eigentumsübergang einzutragen sowie die Löschung der Vormerkung in Abt. II, lfd. Nr. 1. Er hat des Weiteren unter Bezugnahme auf die Eintragungsbekanntmachung mitgeteilt, dass seine handschriftlichen Änderungen unter Ziffer V. des erstgenannten Vertrags irrtümlich erfolgt seien und das befristete Wohnungsrecht nicht dem Verkäufer zustehe, sondern der Beschwerdeführerin.
Durch Verfügung vom 14.02.2022 (Bl. 11/5 d. A.) hat das Grundbuchamt darauf hingewiesen, dass die Vollmacht vom 06.04.2021 durch den Tod der Vollmachtgeberin am XX.XX.2021 erloschen sei und es daher der Vorlage eines Erbscheins bedürfe. Mit Schreiben vom 22.02.2022 (Bl. 11/8 d. A.) hat der Verfahrensbevollmächtigte darauf hingewiesen, dass die Vollmacht vom 06.04.2021 über den Tod hinaus gelte und daher fortbestehe. In der Folge hat das Grundbuchamt durch weitere Verfügung vom 25.02.2022 (Bl. 11/9 d. A.) mitgeteilt, dass die einem Bevollmächtigten, welcher auch Alleinerbe geworden sei, erteilte Vollmacht über den Tod hinaus mit dem Tod des Vollmachtgebers durch Konfusion erlösche; um Vorlage eines Erbscheins werde gebeten. Der Verfahrensbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 14.07.2022 (Bl. 11/10 d. A.) unter Bezugnahme auf dort zitierte Literatur und Rechtsprechung die Auffassung vertreten, die über den Tod hinaus erteilte Vollmacht sei für die Eigentumsumschreibung völ...